Aufgrund der großen Resonanz der Bezness-Artikel auf diesem Blog möchte ich in den nächsten Tagen in Auszügen eine Schweizer „Bezness-Studie“ veröffentlichen, eigentliche eine schriftliche Arbeit zur Erlangung des Diploms der Schweizerischen Tourismusfachschule STF, die bereits 2007 von der Autorin eingereicht worden ist.

Angesichts dessen, dass in Ägypten, wie auch in Tunesien, nach den Revolutionen die Wirtschaft am Boden liegt, genauso wie der Tourismus und dadurch die Einnahmequellen der Einheimischen (Männer) sehr beschränkt ist, die im Tourismusgewerbe arbeiten, hat diese „Studie“ nichts von ihrer Brisanz und Aktualität verloren.

Gerne können mir Ägypten- und Tunesien-Urlauberinnen ihre diesbezüglichen Erfahrungen mitteilen.

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Schriftliche Arbeit zur Erlangung des Diploms der Schweizerischen Tourismusfachschule STF, Plaine Bellevue, Postfach 80, 3960 Siders Bezness in Hurghada

Autorin Referent

Tschanz Kassem Franziska Anthamatten Hermann

Eingereicht am 15. Juni 2007

Schweizerische Tourismusfachschule Siders (VS)

Tschanz Kassem Franziska Bezness in Hurghada

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Zusammenfassung

Bezness, eine Mischung aus dem deutschen Wort „Beziehung“ und dem

englischen Begriff „business“, ist ein Phänomen, dem man nicht nur in Hurghada

begegnet, sondern in vielen touristischen Destinationen auf der ganzen Welt.

Touristinnen fahren in den Urlaub und verlieben sich in Kellner, Animateure, den

Reiseleiter oder Strassenhändler.

Während die Frauen von einer Beziehung nach ihren Vorstellungen ausgehen,

dient den Männern die Verbindung, oft mit mehreren Frauen gleichzeitig, als

Lebensunterhalt und Vergnügen.

Der Verdienst in der Touristendestination Hurghada ist im Vergleich zu den

Ausgaben der Touristen verschwindend klein, heiraten können Ägypter erst

dann, wenn sie einen gewissen Lebensstandart erreicht haben. Vorehelicher Sex

mit ägyptischen Frauen ist ein Tabu. Eine Arbeitsstelle, die Aussicht auf eine

Verbesserung der Situation verspricht, ist trotz guter Ausbildung schwierig zu

finden, um ein eigenes Business aufzubauen, fehlen die finanziellen Mittel.

Eine Touristin aber kann dies alles bieten: Sexualität ist für sie Teil einer

Beziehung, sie hat Geld, denn sie kann sich einen teuren Urlaub leisten und zu

verlockend ist die Aussicht auf eine Heirat, die den Aufenthalt in ihrem

Heimatland verspricht.

Frauen schätzen dabei, zumindest anfänglich, die ungeteilte Aufmerksamkeit und

Komplimente der Beznesser, die ihnen das Gefühl geben, etwas Besonderes zu

sein. Sie gehen davon aus, eine Partnerschaft nach ihren Wertvorstellungen

einzugehen und unterstützen ihren „Habibi“ deshalb auch gerne.

Die vorliegende Arbeit beleuchtet im Folgenden Beznesser und Touristin in

Hurghada näher und setzt sich mit ihren Motiven und Wertvorstellung

auseinander. Auch das Konfliktpotential einer solchen Verbindung, begründet

durch die unterschiedlichen sozialen und kulturellen Hintergründe, wird

thematisiert. Abschliessend werden einige Aspekte der Auswirkungen von

Bezness diskutiert.

Vorwort

Bezness

Nachdem ich selber längere Zeit in Hurghada gewohnt habe, stellte ich fest, dass

es immer wieder Touristinnen gibt, die sich während des Urlaubs in Hurghada in

Beznesser verlieben. Meist beginnt es mit einem harmlosen Gespräch – und

endet damit, dass der Beznesser nach kurzer Zeit von Liebe, Heirat und einer

gemeinsamen Zukunft spricht. Nachdem die Touristin wieder heimgereist ist,

bleiben sie in Kontakt – er verbringt seine Zeit aber während sie weg ist bereits

mit anderen Frauen. Kurze Zeit später reist die Touristin wieder nach Hurghada,

um ihren „Habibi“ zu besuchen. Oder sie entschliesst sich, ihn zu heiraten, damit

er mit ihr in ihrem Heimatland leben kann.

Einige Ägypter betreiben dieses „business“ professionell, manipulieren, spielen

Gefühle vor und bandeln mit mehreren Frauen gleichzeitig an, um mit Sex, Geld

und wenn möglich durch eine Heirat ihre Lebensumstände zu verbessern.

Die Frauen aber gehen von der grossen Liebe aus, geben ihre Existenz im

Heimatland auf, um nach Hurghada zu gehen oder unterstützen ihre „Habibis“

beim Aufbau einer vermeintlich gemeinsamen Zukunft in ihrem Heimatland.

Definition

Nicht jede Beziehung zwischen einem Ägypter und einer Europäerin ist Bezness.

Ich definiere „Bezness“ im Folgenden für meine Arbeit als Verbindung, bei der

die Touristin von einer Beziehung nach „westlichen“ Vorstellungen ausgeht,

während dem Ägypter die Verbindung als Lebensunterhalt und zum Vergnügen

dient. Eine Verbindung im Sinne von Bezness und eine binationale Beziehung

dürfen im Folgenden NICHT gleichgestellt werden.

Beweggrund und Motivation

Wenn es um das Thema Bezness geht, tauchen immer die gleichen

Bemerkungen auf: „die Touristinnen sind selber Schuld, wie kann man nur so

blöd sein“ und „Ägypter in Hurghada wollen sowieso nur Sex, Geld oder die

Möglichkeit, nach Europa zu reisen“. Mit meiner Arbeit will ich im Folgenden

aufzeigen, dass Motive und Ziele beider Seiten sehr vielschichtig sind.

Die Gründe der Frauen, sich auf eine solche Verbindung einzulassen, sind oft

vielseitig, Dummheit kann aber meiner Meinung nach nicht dazu gezählt werden.

Höchstens Unwissen über die andere Kultur und das Problem, dass sie das

Verhalten der Beznesser mit ihren eigenen Werten und Hintergründen

einschätzen, seinen Worten glauben schenken und ihn deshalb ausgehend von

der Überzeugung an eine gemeinsame Zukunft finanziell unterstützen.

Gleichzeitig soll auch die Situation der Männer näher beleuchtet werden. Nach

unseren moralischen Wertvorstellungen ist es verwerflich, was Beznesser

machen. Kennt man aber die ägyptischen Vorstellungen einer Beziehung und die

wirtschaftliche Lage, fällt die Beurteilung vielleicht etwas differenzierter aus.

Wichtig ist mir hier nochmals zu erwähnen, dass es nicht darum geht, die eine

oder andere Seite zu verurteilen, sondern nur darum, Hintergründe aufzuzeigen.

Weiter geht es in meiner Arbeit weder um binationale Paare noch um weiblichen

Sextourismus, sondern um Bezness. Ägypter allgemein werden nicht

angesprochen, sondern nur ägyptische Beznesser.

Insgesamt war der Hauptbeweggrund für die Wahl des Themas aber, über

Bezness zu informieren. Immer noch wissen wenige Leute, was Bezness

überhaupt ist. Bezness wird sich dabei in Zukunft auch durch diese Arbeit nicht

vermeiden lassen. Ziel ist es aber, Bewusstsein für die gewaltigen Unterschiede

in kultureller, wirtschaftlicher, religiöser und sozialer Hinsicht, das

Konfliktpotential und die Auswirkungen einer solchen Verbindung zu schaffen.

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