Im Folgenden möchte ich mich ausdrücklich NICHT mit den weltverschwörerischen Vorwürfen beschäftigen, dass Freimaurer mit dem Teufel paktieren, Schwarze Messen abhalten oder gar Menschenopfer darbringen (dies alles gehört in die krude Schubalde von völkischen oder kirchlichen Verschwörungstheoretikern), sondern mit den magischen, okkulten und esoterischen Strömungen, Personen und Weltanschauung innerhalb der Freimaurerei, die „nachweisbar“ und „belegbar“ sind.

Noch ein weiterer freimaurerischer Brauch hat seine Wurzeln in der Magie, nämlich der des Handauflegens. In der Freimaurerei bezeichnet er die Übertragung des Geistes und der Kraft auf den zu Weihenden. Ein  Segen also, den der Meister erteilt. Dieser uralte Segensritus als magische Kraftübertragung wurde schon in der Antike angewandt und auch Jesus übertrug so die Fähigkeit der Heilung auf seine Jünger. In der okkulten Medizin finden wir diesen Brauch im Magnetisieren oder Entmagnetisieren von Körperteilen.

Das Zauberwort „Abracadabra“, das aus dem Aramäischen kommt und so viel heißt wie „Nimm ab (o Krankheit) wie dieses Wort“, das sich eingraviert auf Amuletten findet und im Brauchtum der Gnostiker[1] auftritt, spielt in der Freimaurerei eine Rolle, nämlich gerade da, wo sie mit der Gnosis verquickt wurde. Insbesondere im 18. Jahrhundert sickerten christliche Mysterien in freimaurerisches Gedankengut. Mit der Gnosis wollten die Freimaurer belegen, dass die Freimaurerei von den Tempelrittern abstammte. Diese hätten sich den alten Baubrüderschaften bedient und mit ihren esoterischen Lehren neue „Körperschaften“ gebildet, um ihre gnostische Symbolik in Stein gehauen zu überliefern. Heute wollen wohl die wenigsten Freimaurer etwas davon wissen. Aber Michael Baigent und Richard Leigh brachten das Thema 1989 mit ihrem „Dauerseller“ „Der Tempel und die Loge – Das geheime Erbe der Templer in der Freimaurerei“ wieder auf den Tisch.

Hinweise auf die Gnosis gibt es im freimaurerischen Symbol des „Flammenden Sterns“, einem fünfzackigen Stern, auch Pentagramm oder Drudenfuß genannt im Strahlenkranz,  in dessen Mitte der Buchstabe „G“ prangt und für Geometrie, Gott oder eben auch der Gnosis stehen kann. Es gibt da unterschiedliche Deutungen. Beim Mentor des Neosatanismus Aleister Crowley (1875 – 1947) wird aus „Abracadabra“ die Schreibweise „AbraHadAbra“, das große magische Wort des „Neuen Äons“.

Doch noch eine andere Tradition hat Einzug in das Brauchtum der Freimaurerei gefunden, nämlich der des „Opfers“ und des „Opferns“! Schon in den heidnischen Religionen war das Opfer Bestandteil eines Gottesdienstes (ob Menschen- oder Tieropfer oder Weihegaben), mit dem man auf die Gottheit „einwirken“ wollte. Zurück zu den Freimaurern: Wird also ein öffentliches Bauwerk in Angriff genommen, wird unter bestimmten Zeremonien der Grundstein gelegt. In einer Höhlung werden normalerweise Erinnerungsgegenstände gelegt oder Öl und Wein wird über den Eckstein gegossen (wie bei den angelsächsischen Freimaurern). Denn der „vollendete“ Bau schreit nach einem Opfer, sonst kann er nicht gelingen, so die Vorstellung. So entstanden auch Sagen von Baumeistern, die sich aus Scham selbst töteten, weil sie einen Fehler am Bau entdeckten.

Der freimaurerische Autor Franz Carl Endres, 1920 in München in den Bund aufgenommen, entkleidet die Freimaurerei in seinem Buch „Die Symbole der Freimaurer“, in dem er die Freimaurerei als die „Königliche Kunst der Esoterik“ bezeichnet, die aufgrund von Symbolen erlebt wird! „…wem ein Symbol bestenfalls ein Gedankenspiel ist, der wird nie ein Esoteriker, nie also ein Meister der Königlichen Kunst werden können,“ führt er weiterhin aus.[2]

Die so genannte „Schottische Maurerei“, die Anfang des 20. Jahrhunderts betreffs einiger Grade „reformiert“ wurde, umfasst insgesamt 33 Grade. Der 30. Grad, der als „Chevalier Kadosch“, „Ritter Kadosch“ oder „Ritter vom Weißen und Schwarzen Adler“ bezeichnet wird, hat eine besondere Bedeutung. Denn er bildet die eigentliche Spitze des ritualistischen Gebäudes und bietet die „volle Einweihung“ und ist als „Abschluß des Systems“ zu betrachten. („Internationales Freimaurer Lexikon“, S. 710).

Karl-Heinz Zunneck schreibt in „Die geheimen Zeichen und Rituale der Freimaurer“ dazu: „Manche Autoren halten ihn für den berühmten Wendepunkt, an dem die Hochgrad-Freimaurerei nunmehr die Wege der schwarzen Magie betritt. Dabei betonen die Anhänger dieser Hypothese, dass durchaus nicht alle Kadosch-Ritter dieser schwarzen Magie frönen müssen, sondern dass es auch solche geben kann, die nur zum Schein in diesen Stand aufgenommen werden, ohne dass sie jemals dessen wahre Bedeutung erfahren. Mit anderen Worten: hier beginne also der aktive Kampf gegen das Christentum, der im Geheimritual…gekleidet sei.“ Diesem Grad ist auch der „Rache-Grad“ zugeordnet, angelehnt an die Templergeschichte oder Legende, wie man will. Hier soll nun eine Absage an das Christentum erfolgen, das Kreuz angespuckt und mit Füßen getreten werden. „Es heißt auch,“ so Zunneck weiter, „dass die in diesen Grad wirklich Eingeweihten das Kreuz nach diesem Ritual fortan im Stiefel bzw. Schuh tragen müssen, damit sie es beständig mit Füßen treten können.“ Vergeltung soll geübt werden, für die an den Templern angetane Ungerechtigkeiten durch die Krone und die Kirche; die „Vernichtung der templerischen Brüder“ durch sie am Vatikan zu rächen, war wohl der Gedankengang der Freimaurer im späten 18. und 19. Jahrhundert. „Wenngleich von masonischer Seite immer wieder eingewandt wird, dass das Toleranzgebot der Freimaurerei mit Racheplänen welcher Art auch immer unvereinbar sei, spricht das Ritual hier doch eine ganz andere, kaum mehr symbolisch verschlüsselte Sprache,“ resümiert der Politikwissenschaftler Andreas Gößling.[3]

Schon im 18. Grad, dem  sogenannten „Rosenkreuzer-Grad“ der „Schottischen Maurerei“ soll es antichristlich zugehen. Die Loge selbst ist bei der Einweihung in diesen Grad schwarz gehalten. Jesus soll, so Zunneck, als Verursacher des Unglücks für die Freimaurerei dargestellt werden und der Prüfling muß ihn als Verbrecher bezeichnen, der Fluch und Hinrichtung verdient hat!

Die Freimaurer weisen diese Vorwürfe natürlich weit von sich. Dennoch muß an dieser Stelle festgehalten werden, dass zumindest zwei von ihnen den Kritikern geradezu eine Vorlage hierzu gegeben haben, die nicht einfach so wegzudiskutieren sind. Einer davon ist der berühmte französische Dichter, Denker, Schriftsteller und Freimaurer Francois Marie Arouet Voltaire (1694 – 1778), der in die Pariser Loge „Les Neuf Soeurs“ aufgenommen wurde und meinte: „Wenn ihr glaubt, Gott habe euch nach seinem Bilde geschaffen, so antwortet ihm auf die gleiche Weise. Schafft euch einen Gott nach eurem Bilde, mit euren Tücken und Fehlern: mächtig, rachsüchtig, herrisch, machtbesessen und ehrgeizig. Je mehr ihr davon überzeugt seid, desto besser passt er zu euch, und es verblasst und erlischt in euch das Bild des früheren, des wahren Gottes.“ Dies könnte als okkult-satanistisches Gedankengut ausgelegt werden!

Der zweite ist Giousuè Carducci (1835 – 1907), italienischer Dichter, 1906 sogar Nobelpreisträger für Literatur und seit 1862 Mitglied der Freimaurerloge „Galvani“, Mitbegründer der Loge „Felsinea“ in Bologna (später „Propaganda Massonica“ in Rom). Er hat unter anderem die sogenannte „Inno a Satana“, die „Satanshymne“ verfasst, in der es heißt: „…Ein schönes und schreckliches Monstrum wirft die Ketten ab, läuft über die Ozeane, läuft über die Erde: Glühend und rauchend wie die Vulkane überwindet es die Berge, verschlingt die Täler…Wie ein Wirbelwind verbreitet es den Atem: Es geht vorüber, o Völker, Satan der Große…Er fährt wohltätig von Ort zu Ort auf dem ungezügelten Feuerwagen…Sei gegrüßt, o Satan, o Rebellion, o rächende Macht der Vernunft!…“ Daß mit dieser „Freimaurer-Satanshymne“ natürlich den Kritikern Tür und Tor geöffnet wird, versteht sich von selbst. So auch dem christlichen Fundamentalisten Hans Baum, der die „Kirche im Endkampf“ mit der Freimaurerei, der „Synagoge Satans“ sieht und meint, dass die Menschen, die im Dienste der Freimaurerei stehen, unmittelbar im Dienste des Satanismus stehen, auch wenn sie selbst gar keine Satanisten zu sein brauchen, allerdings wären die „Wissenden der Hochgrade“ Satanisten. Bei den Freimaurersymbolen spricht er von „satanistischen Sakramentalien“.

Dass wohl alles nicht nur der Fantasie christlicher Fundamentalisten angelastet werden kann, beweist auch die maurerische Bekleidung. Beispielsweise in Holland oder Indien gab oder gibt es auch Freimaurerschürzen in Form des Fünfecks mit einer Spitze nach unten. Und das symbolisiert in der okkulten Weltanschauung das Satanische. In den Hochgraden der „Schwedischen Lehrart“ finden wir im „IX.Grad Andreaslehrling“ einen versilberten Triangel mit Totenkopf über zwei gekreuzten Knochen, sowie auf dem Schürzenklappen einen weiteren silbernen Totenkopf mit gekreuzten Knochen. Im „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus“ beim „IX. Grad Auserwählter der Neun“ auf dem Schürzenklappen einen Arm mit einem Dolch, im Mittelfeld ein Arm, der ein blutendes Haupt hält. Beim „III., V., VII. und IX.“ Grad tragen die „Beamten“ der Loge purpurne Roben. Beim „XV. Grad Ritter vom Osten“ trägt der Maurer unter anderem ein wassergrünes Band von der rechten Schulter zur linken Hüfte mit Kronen, Schwerter, einer Brücke und Schädel und Knochen darauf. Im „XXVIII. Grad Sonnenritter“ trägt der Maurer gar einen Schurz mit einem Pentagramm im Mittelfeld und im „XXIX. Grad Großschotte des heiligen Andreas“ bekleidet man sich mit roter Robe und weißem Andreaskreuz.[4] Angesichts dieser Symbolik müssen sich die Freimaurer wohl in dieser Hinsicht auch Kritik gefallen lassen.

Wie auch immer, wir haben gesehen, in bestimmten Richtungen der Freimaurerei und Hochgradsystemen herrschen durchaus  magische und okkulte Traditionen und Praktiken, auch wenn aus  freimaurerischen Kreisen betont wird, dass die geschlossene Mehrheit der Bruderschaft diesen okkulten Gedankengängen fern stehe. Doch auf der Frage- und Antwortseite der „Vereinigten Großlogen von Deutschland“ bekennt der Vertreter der Logen: „Ich persönlich bezeichne das rituelle Brauchtum der FM (Freimaurerei/d.A.) in der Tat als esoterisch, weil man in dieses symbolische Gedankengebäude durch eine Einweihung eingeführt wird.“[5]

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass es eine wie auch immer geartete Minderheit gibt, die die okkultistische Freimaurerei befürworten und praktizieren. Das ist meines Erachtens in einer aufgeklärten Zeit wie heute und den hehren Zielen, die dem Freimaurerbund scheinbar zugrunde liegen, mehr als bedenklich und nicht vereinbar.


[1] Gnosis = Geheimlehre des „Wissens, der Erkenntnis“; überwiegend im 2. und 3. Jahrhundert nach Christi verbreitet. Die Gnostiker meinten, dass eher das Wissen als der Glaube den Weg in den Himmel darstellt. Sie gaben vor besondere Kenntnisse der religiösen Mysterien zu besitzen.

[2] zitiert nach: Karl-Heinz Zunneck: „Die geheimen Zeichen und Rituale der Freimaurer“, Rottenburg 2002, S. 27, 28

[3] vgl. Andreas Gößling: „Die Freimaurer – Weltverschwörer oder Menschenfreunde?“, München 2007, S. 62, 63

[4] Eugen Lennhoff/Oskar Posner/Dieter A. Binder: „Internationales Freimaurer Lexikon“, München 2006 (5. überarbeitete und aktualisierte Ausgabe), S. 116ff.

[5] vgl. „Fragen und Antworten/FAQ“ in: http://freimaurer.org/faq/links.htm(Zugriff: 14.06.08) der „Vereinigten Großlogen von Deutschland“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert