Die Ukraine steht vor dem Staatsbankrott. Die Ratingagentur Standard & Poor’s stufte die ukrainische Kreditwürdigkeit jüngst auf „CCC“ herab.

Der drohende Staatsbankrott sei auch ein Grund gewesen für die Ablehnung der Unterzeichnung des EU-Assoziierungsabkommens durch den damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch, sagt Theocharis Grigoriadis, Gastprofessor für Volkswirtschaftslehre am Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin. „Es gab schon damals die Bedrohung eines Bankrotts und Russland war das einzige Land, welches eine kurzfristige Lösung anbieten konnte“, meint Grigoriadis weiter.  Ende Januar 2014 legte Wladimir Putin die Kredite für die Ukraine auf Eis, als die politische Situation in der Ukraine immer unklarer wurde. Die Krise verschärfte sich. Dann zog Moskau seine Zusage zurück, für zwei Milliarden Dollar ukrainische Staatsankleihen zu kaufen. Das gab dem Land fast den wirtschaftlichen Knockout.

Der Kursverlust der heimischen Währung Hrywnja ist schon jetzt enorm. Laut Übergangsregierung fehlen dem Land für die nächsten zwei Jahre rund 35 Milliarden Euro. Da mutet die versprochene Finanzhilfe des amerikanischen Außenministers Kerry von einer Milliarde Dollar wie der berühmte Tropfen auf den heißen Stein an.

Alleine bei Banken in der EU ist die Ukraine mit 23 Milliarden Euro verschuldet. Am stärksten involviert sind österreichische und italienische Finanzinstitute. Deutsche sind mit rund 1 Milliarde dabei. Im Falle einer Staatspleite müssten die Gelder wohl abgeschrieben werden.

Finanzhilfen des IWF gelten als unwahrscheinlich, denn der Währungsfonds vergibt in der Regel nur dann Kredite, wenn ein stabiles politisches System besteht. Das ist in der Ukraine in keiner Weise der Fall. Das Land steht vor einem neuen Bürgerkrieg und einer Spaltung. Zudem werden Hilfsgelder des Währungsfonds grundsätzlich an Bedingungen gekoppelt. Doch mit wem soll verhandelt werden, denn der neue Machthaber wird erst im Mai 2014 gewählt.

Vergessen wir nicht, dass rund 2000 deutsche Firmen in der Ukraine engagiert sind. Die billigen Lohnkosten von Monatslöhnen unter 200 Euro, beispielsweise in der Westukraine, machen das Land vor allem für deutsche Automobilhersteller attraktiv.

Schon einmal in der jüngeren Geschichte hat die Ukraine einen Staatsbankrott und eine Hyperinflation erlebt. Erst 1991 holte die wirtschaftliche Katastrophe das Land heim. Wird es wieder so kommen?

Nachfolgend ein Zeitzeugenbericht.

Zeitzeugenbericht Hyperinflation Ukraine 1991: »Der totale Ausverkauf«

Die ehemalige Bankangestellte Gallina U. hat die Auflösung der Sowjetunion und die Unabhängigkeit der Ukraine am 1. Dezember 1991 in ihrer Heimatstadt Odessa am Schwarzen Meer miterlebt und ebenso den wirtschaftlich-politischen Transformationsprozess des Landes von einer Sowjetrepublik hin zu einem unabhängigen und »demokratischen« Staat mit der daraus resultierenden Inflation von 1991 und den darauf folgenden Jahren. Nachfolgend ihre diesbezüglichen Erinnerungen:

Der Zerfall der Sowjetunion und die damit verbundene Unabhängigkeit verschiedener Länder zerstörten die Handelsbeziehungen zwischen den ehemaligen Sowjetrepubliken. Nachdem die Wirtschaft der Ukraine bereits 1990 die erste größere Rezession der Nachkriegszeit erlebte, beschleunigte sich nach der Unabhängigkeit 1991 die wirtschaftliche Talfahrt und führte zu einer über Jahre anhaltenden Inflation der Übergangswährung Kupon, die nach und nach den Rubel ersetzte. Dabei wurden Abhebungen von Rubel von unseren Sparbüchern, Bankeinlagen, Renten und Löhnen beschränkt. Unsere Guthaben blieben bis 2012 eingefroren. Dann haben sie uns jedoch nur 1000 Hrywnja – die jetzt gültige Währung – ausbezahlt.

1991 und 1992 betrug die jährliche Inflationsrate rund 5.600 Prozent und stieg 1993 monatlich um 70 bis 90 Prozent an. Im Januar desselben Jahres wurde in den Medien angekündigt, dass die sich noch im Umlauf befindlichen 50-Rubel-Scheine nicht mehr gültig waren. Diejenigen, die solche noch besaßen, eilten zu den Banken und hofften, sie noch umtauschen zu können. Jedoch vergeblich.

Aufgrund der stetig steigenden Preise kauften wohlhabende Bürger alles, was möglich war, um das immer wertloser werdende Geld so schnell wie möglich loszuwerden. Schließlich waren die Geschäfte leer, die Fabrikproduktionen blieben stehen, die Arbeitslosigkeit nahm zu. Ab 1994 stiegen die Pleiten von Unternehmen. Es gab keine Lohnzahlungen mehr, die Beschäftigten hatten also umsonst gearbeitet. Industrie und Wirtschaft brachen immer mehr zusammen.

Nun sah sich der Staat gezwungen, uns Bürgern eine Art »Gutscheine« auf Gebrauchsgegenstände wie Fernseher, Kühlschränke, Waschmaschinen, Autos und Traktoren mit dem Versprechen zu verkaufen, dass die Ware in zwei Jahren geliefert werden würde. Allerdings kamen diese Lieferungen nie bei uns an. Als wir die »Gutscheine« wieder eintauschten – dies war bis 2007 möglich – erhielten wir wieder die ursprünglichen Geldbeträge. Doch aufgrund der Inflation waren diese nichts mehr wert.

Im August 1996 verkündete Präsident Leonid Kutschma per Erlass eine Währungsreform, bei der schließlich die Hrywnja eingeführt wurde. Sämtliche Bank- und Sparguthaben wurden 1 : 100.000 umgerechnet. Damit verloren wir alle unsere Ersparnisse.


Quellen:

Guido Grandt; „2018 – Deutschland nach dem Crash – Was Politiker NICHT erzählen“

 http://www.dw.de/ukraine-vor-dem-staatsbankrott/a-17450801

http://www.zeit.de/wirtschaft/2014-03/Ukraine-Wirtschaft-Staatsbankrott

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