GUIDO-KOLUMNE-MIX

♦ No.  498 (36/2015) ♦



Die Not der „normalen“ Menschen ist groß in Griechenland. Größer, als wir es uns vorstellen können. Die Sparpakete und Strafregulierungen, die ihnen die Troika (bestehend aus IWF, EZB und EU) auferlegt haben, hat ein ganzes Volk ausgeblutet! Erst in jüngster Zeit wagen sich auch die ansonsten so EU-gläubigen Mainstream-Medien an dieses Thema heran. In meinem unzensierten Wirtschafts-Thriller 2018 – Deutschland NACH dem Crash – Was Politiker NICHT erzählen habe ich bereits im Mai 2013 über sämtliche Hintergründe, die zu diesem beispiellosen Desaster nach Ende des Zweiten Weltkriegs geführt haben, ausführlich berichtet. Vor allem von der Not der Menschen und der korrupten Oberklasse samt Politiker. Nachfolgend Auszüge aus meinem Buch. Es ist schwerer Tobak und doch Realität. So also sieht es aus, wenn sich ein Staat dem Strafdiktat der Eurokraten beugen muss. Es ist einfach unglaublich! Vergessen wir dabei auch nicht, dass der größte Teil der Hilfsgelder niemals beim griechischen Volk landete – sondern bei den Banken. Währenddessen ging die Verelendung der Bürger weiter. Bis heute.


Insgesamt beläuft sich die Gesamtverschuldung Griechenlands auf rund 345 Milliarden Euro und ist damit fünfmal größer als das Volumen der Staatsinsolvenz Argentiniens im Jahr 2003. Seit Beginn der Finanzkrise im Herbst 2008 ist das griechische Bruttoinlandsprodukt (BIP) um über 20 Prozent gesunken, die Importe sind um ein Drittel eingebrochen und die Investitionen haben sich halbiert. Allein die Banken haben während der Krise annähernd 80 Milliarden Euro Einlagen verloren. Kein anderes Land in der EU hat seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine solche Depression durchgemacht. Der britische Princeton-Ökonom und Historiker Harold James vergleicht Griechenlands Wirtschaftskrise mit der Krise in den USA der 1930er-Jahre[1] oder der »Rezession in den post-sowjetischen Transformationsökonomien der 1990er Jahre«.[2]

Um zu verstehen, wie sehr das griechische Volk tatsächlich leidet, müssen wir noch einmal zurückblicken in den Spätherbst und Winteranfang 2012:

Ministerpräsident Antonis Samaras bezeichnete damals seinen »Job« als den »schwierigsten der Welt«; er selbst führe den »Kampf« seines Lebens. »Wir sind nichts, Griechenland ist alles (…)«, verkündete er pathetisch. »Wenn wir scheitern, wartet auf uns das Chaos (…) Wir müssen die Zähne zusammenbeißen.« Er gab zu, dass sein Land »blutet (…) Die bisherigen Einschnitte gehen bereits bis auf die Knochen. Wir sind an der Grenze dessen, was wir unserer Bevölkerung zumuten können.«[3]

Schon damals gab der Volkszorn gegen die verhassten Reformen einen Vorgeschmack auf das, was Samaras wohl mit »Chaos« bezeichnete. Denn ein neues umstrittenes und schmerzhaftes Sparprogramm sollte 2014 und 2015 den Haushalt um 18,5 Milliarden[4] Euro entlasten und insgesamt 89 Strukturmaßnahmen durchsetzen.

Vor der Abstimmung über dieses Sparpaket im November 2012, das durchzusetzen notwendig war, damit die Troika aus IWF, EZB und EU-Kommission, die nächste Tranche von 31,5 Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket freigeben konnte, warnte Premier Samaras die politischen Reformgegner, dass es nun darum gehe, dass Griechenland »nicht ins Chaos« stürze.[5] Sollte das Reformpaket im Parlament scheitern, »verlieren wir in wenigen Monaten 80 Prozent unseres Lebensstandards, unsere Gesellschaft würde daran zerbrechen, unsere Wirtschaft zerstört, unsere Demokratie explodieren«.[6] Finanzminister Giannis Stournaras ergänzte düster, dass »wir« dann »hungern« müssten.[7] Schon im Sommer 2012 hatte dieser erklärt: »Entweder wir ergreifen die notwendigen Maßnahmen, oder wir kehren in zwei Monaten zur Drachme zurück.«[8]

Natürlich war der konservativen Regierung klar, dass wenn sie mit dem Sparprogramm scheiterte, auch ihre eigene letzte politische Stunde geschlagen hätte. Samaras erwies sich dabei als politischer »Wendehals«: Als Mitglied der »alten« Politgarde war er für das Desaster Griechenlands mitverantwortlich. Als die Vorgänger-Regierung unter Giorgos Papandreou 2010/2011 Reformen durchsetzen wollte, torpedierte Samaras diese. Nun wiederum setzt er solche selbst durch – gegen den Willen des Volkes. Dabei hatte er noch im Wahlkampf getönt, Sozialkürzungen zurückzunehmen, Bürokratie abzubauen und den Umbau der maroden Steuerverwaltung schneller umzusetzen. Griechenland hätte ein »enormes wirtschaftliches Potential« erklärte er sogar Mitte August einer großen deutschen Tageszeitung.[9] Worte, die allesamt als »Wahllügen« abgetan werden können, wie so oft in der Politik.

So stand vor der Abstimmung zum Sparpaket im November 2012 viel auf dem Spiel: die Zukunft des Landes, die Demokratie, die Zahlungsfähigkeit des Staats und Griechenlands Euro-Mitgliedschaft insgesamt. Doch vor allem würden die sozial schwachen Schichten der Gesellschaft leiden. Das ahnten die mehr als hunderttausend Menschen, als sie sich am Abend der Abstimmung vor dem griechischen Parlament versammelten, das von tausenden Polizisten bewacht wurde. Wieder kam es dabei zu schweren Ausschreitungen, die den Syntagma-Platz in eine Kampfzone verwandelten.

Die deutschen Medien reagierten mit Unverständnis, sprachen von »Krawallen« und fragten empört: »Hört das denn nie auf?«[10] Gleich so, als ob die Bürger und Gewerkschaften Griechenlands zu Unrecht gegen diese politische Willkür demonstrieren und dadurch nicht noch weiter in die Armut getrieben würden.

Doch aller Unmut, alle Proteste und Demonstrationen der Hellenen nützen schließlich nichts: Das griechische Parlament verabschiedete das neue Sparpaket. Dabei blieben die vollmundigen Verkündungen der drei Regierungsparteien, dass sie sich »jede Mühe« gegeben hätten, damit es »keine zusätzliche Belastung der schwächeren Schichten der Bevölkerung« geben würde, nichts als bloße Lippenbekenntnisse. Tatsächlich bedeuten die Reformen tiefe Einschnitte bei den Gehältern und den Renten ab 1.000 Euro von bis zu 15 Prozent, obwohl der griechische Rechnungshof bereits festgestellt hatte, dass die Rentenkürzung, die fünfte seit 2010, verfassungswidrig sei. Doch für die Regierung ist dieses Urteil nicht bindend. So gehören die Ruheständler zu den Verlieren, die vom Staat mit am schlimmsten geschröpft werden – in den letzten 24 Monaten bereits dreimal. Sie verlieren jährlich etwa 2.000 Euro, bislang ein Fünftel ihres Einkommens. Seit 2013 werden Rentenbezieher vom Finanzministerium stichprobenartig überprüft. Auch den Pensionären werden die monatlichen Bezüge um bis zu 10 Prozent gekürzt, Urlaubs- und Weihnachtsgratifikationen gestrichen.

Dagegen steigen die Versicherungsbeiträge (wobei die Krankenversicherungsbeiträge bereits verdoppelt wurden) und genauso die Steuer auf Sparguthaben von 10 auf 15 Prozent. Die Preise der Verkehrsunternehmen werden um wenigstens 25 Prozent angehoben, ebenso schrittweise die Tarife der öffentlichen Elektrizitätsgesellschaft. Der Preisindex für selbst erzeugte Waren (BIP-Deflator) ist seit dem Jahr 2000 um 14 Prozent gestiegen, das Preisniveau der Waren und Dienstleistungen stieg im gleichen Zeitraum um 40 Prozent! Dagegen sind nach Berechnungen der OECD[11] die Realeinkommen seit 2010 um 25 Prozent gesunken.

Auch Einsparungen bei den Sozialleistungen werden festgelegt. Weitere Reformen werden diskutiert: So soll die Fünf-Tage-Woche abgeschafft, durch eine Sechs-Tage-Woche ersetzt und der 13-Stunden-Tag eingeführt werden. Kündigungsfristen und Abfindungen sollen empfindlich beschnitten und das Rentenalter von 65 auf 67 Jahre angehoben werden.

Auch die Kürzungen im öffentlichen Dienst gehen weiter: Richter, Polizisten, Krankenhausärzte verlieren nicht nur ihren bisherigen Anspruch auf Kinder-, Weihnachts-, Oster- und Urlaubsgeld sowie Prämien für die Erreichung von Zielvorgaben, sondern verdienen seit dem 1. Januar 2013 auch noch bis zu 30 Prozent weniger. Somit erhalten Gesetzeshüter im Monat gerade mal noch 610 Euro. Für diesen »Hungerlohn« wiederum sollen sie die Volksvertreter bei Protestaktionen und Streiks vor Demonstranten schützen. Ob diese Rechnung zukünftig aufgeht, ist die Frage. Bis 2015 sollen außerdem 150.000 Stellen der insgesamt 700.000 Staatsbediensteten im öffentlichen Dienst gestrichen werden. Aus Protest gegen diese geplanten Massenentlassungen besetzten Gewerkschaftsmitglieder aus Kommunalbehörden zahlreiche Rathäuser und andere Kommunalgebäude sowie Kindergärten. Die Müllabfuhr blockierte Lastwagenfuhrparks. Doch alles umsonst. Immer mehr Firmen schließen. Allein 2012 gingen rund 700.000 Handwerks- und Handelsunternehmen Pleite.

Ende Februar 2013 stieg die Arbeitslosigkeit mit rund 1,3 Millionen Menschen auf ein Rekordhoch. Sie lag bei 26 Prozent.[12] Im Vergleich zum Vorjahr hatte sich die Quote um über 43 Prozent erhöht. Inzwischen sind fast 60 Prozent der Griechen zwischen 15 und 24 auf Arbeitssuche. Diese Horrorzahlen werden sich auch in Zukunft nicht ändern, sagt Savas Robolis, Uniprofessor für Volkswirtschaft und Direktor des Instituts der Arbeit des griechischen Gewerkschaftsverbands GSEE. Schon vor Jahren war er als Schwarzmaler kritisiert worden, weil er 25 Prozent Arbeitslosigkeit vorausgesagt hatte. Schließlich hatte er Recht behalten. Robolis schätzt, dass die Zahl der Erwerbslosen auf 29 Prozent und die reale Arbeitslosigkeit, mit allen Unter- und Minimalbeschäftigten, auf 35 Prozent steigen werden.[13] Im Februar 2013 beträgt sie bereits fast 27 Prozent.[14] Dabei erhalten Arbeitslose magere 360 Euro an finanzieller Unterstützung und das auch nur ein Jahr lang. Bereits 2012 wurde der Mindestlohn von 751 auf 586 Euro brutto gekürzt. Das Durchschnittsgehalt beträgt gerade mal 950 Euro im Monat. Doch hunderttausende Angestellte und Arbeiter warten manchmal Wochen oder Monate auf ihre Gehälter.

FORTSETZUNG FOLGT …

 

Quellen:

[1] »Der Einbruch der Bankeinlagen sieht noch schlimmer aus als in den USA in der Großen Depression.« Vgl. »Vergleichbar mit den 30er-Jahren« in: Financial Times Deutschland v. 22.10.12

[2] Vgl. »Vergleichbar mit den 30er-Jahren« in: Financial Times Deutschland v. 22.10.12

[3] Vgl. »Antonis Samaras: ‚Wenn wir scheitern, wartet das Chaos’« in: Handelsblatt v. 05.-07.10.12

[4] Zuvor waren es 11,5 dann 13,5 und dann 18,5 Milliarden Euro.

[5] Vgl. »Regierungschef Samaras warnt die Griechen vor dem Chaos« in: Handelsblatt v. 31.10.12

[6] Vgl. »Die nächste Zitterpartie für Samaras« in: Handelsblatt v. 05.11.12

[7] Vgl. »Berliner Abfuhr für Griechen« in: Financial Times Deutschland v. 25.10.12

[8] Vgl. »Athen dreht wieder Ehrenrunde« in: derstandard.at v. 31.07.12 (http://derstandard.at/1343743498059/Athen-dreht-wieder-Ehrenrunde-Griechenland-Krise-Euro-Troika)/Zugriff: 10.12.12

[9] Vgl. »Antonis Samaras: ‚Ich verspreche, dass wir unsere Schulden zurückzahlen’« in: Bild v. 23.08.12

[10] Vgl. beispielsweise Bild v. 08.11.12, die titelte: »Krawalle in Athen – Hört das denn nie auf?«

[11] Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (Organisation for Economic Co-operation and Development)

[12] »Euro-Zone: Arbeitslosigkeit im Euro-Raum auf Rekordhoch« in: manager-magazin.de v. 02.04.13 (http://www.manager-magazin.de/politik/artikel/0,2828,892025,00.html)/Zugriff: 02.04.13

[13] Vgl. »Ein Land macht dicht« in: Financial Times Deutschland v. 09.11.12

[14] »23 Prozent der Griechen sind arm« in: tagesspiegel.de v. 11.02.13 (http://www.tagesspiegel.de/politik/euro-krise-23-prozent-der-griechen-sind-arm/7762414.html)/Zugriff: 11.02.13

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