Blut wird seit vielen Jahrtausenden eine eigene Mythologie zugeschrieben und ist Bestandteil aller Religionen und magischer Weltanschauungen.

Neben Milch, als Ausdruck der »weiblichen« und »mütterlichen« Schöpfungskraft und dem Samen, als Ausdruck der »männlichen« und »väterlichen« Schöpfungskraft, gilt »Blut« als eine dieser drei »heiligen Substanzen«, die aus dem Körper stammen.

Der Unterschied zwischen männlich und weiblich ist im Blut aufgehoben. Fünf bis sechs Liter hat jeder Mensch in sich. Verliert er eine bestimmte Menge, dann stirbt er. Ohne Blut kein Leben, so einfach ist das.

So hat Blut Macht und gilt in vielen Kulturen als Träger von Leben oder der Lebenskraft, als die »Seele« schlechthin, als Quelle von Lebensessenz und Stärke oder als »flüssige Elektrizität«.



»Auf einer tief archaischen Erlebnisebene ist Blut ein ganz besonderer Saft«, schrieb der deutsch-amerikanische Psychoanalytiker, Philosoph und Sozialpsychologie Erich Fromm. »In den tiefsten Erlebnisschichten bemächtigt man sich auf magische Weise der Lebenskraft selbst, indem man Blut vergießt« (Fromm). (199)

Dies mag der Grund sein, weshalb sich Menschen seit je her des roten Lebenssaftes aus religiösen Zwecken bemächtig(t)en, in dem sie Tiere und Menschen opferten.

Wer Blut eines anderen Menschen trinkt, ob tot oder lebendig, der trinkt auch gleichzeitig die geistige und natürliche Kraft des anderen, so die frühzeitliche Vorstellung, die sich bis heute übertragen hält.

Das Trinken von Blut als Steigerung der eigenen Lebenskraft oder gar als »Nahrung« für die Götter, wie beispielsweise bei den Mayas durch Menschenopfer und »Blutlassen« oder im Kalitempel in Kalkutta (des 19. Jahrhunderts) in dem das Tierblut der Göttin zufließt. Siehe dazu auch die Bacchusorgien, auf die ich bereits an anderer Stelle eingegangen bin.

Selbst im Römischen Katholizismus finden wir noch den archaischen Brauch, den zu Christi Blut geweihten Wein zu trinken. (200)

Beispiele sind ebenso aus der Überlieferung von Festen zu Ehren des Gottes Dionysos bekannt, bei denen es zu Opferungen kam. Beim Agrionia-Fest wurde mitunter ein junger Mensch geopfert. Ähnliches beim Lenäa- oder beim Anthesteria-Fest, das Ende Februar gefeiert wurde. Frauen opferten den Göttern Hermes und Dionysos zudem noch gekochte Spermien.


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Es gab zahlreiche weitere Jahresfeste, die alle  mit  intensivem Rauschmittelgenuss, sexuellen Orgien und blutigen Ritualen (Opfer und auch Selbstverstümmelung) einhergingen. (201)

Das Trinken von Blut wird oft als Steigerung der eigenen Lebenskraft verstanden.

Blut ist besonders wichtig bei Sühne-, Fruchtbarkeits- und Reinigungsritualen. In manchen  Glaubenssystemen war/ist die Opferung  ebenso  ein Mittel, übernatürliche Kräfte oder die Gunst eines Gottes zu erlangen. Selbst die Witwenverbrennungen, die im indischen Kulturkreis durchgeführt werden, sind eine Art Menschenopfer. (202)

Im Christentum hingegen hat der Glaube Einzug gefunden, dass wenn man Blut vergießt, man sich auf »magische Weise der Lebenskraft selbst« bemächtigt, wie es auch Erich Fromm postulierte: Bei der Kommunion nimmt der Gläubige Christi Blut in sich auf, wird damit teilhaftig an seinem Gott und kann sich selbst erhöhen.

»Blutbündnisse« wurden im Laufe der Zeit geschlossen, von den Lebenden untereinander oder mit den Toten, von Menschen mit Gott oder den Göttern und beim Pakt mit dem Teufel, der sich des Blutes als Sitz der Seele und Lebenskraft seit je her bemächtigen will.



Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass »Menstruationsblut« in vielen Kulturen als »unrein« und »giftig« angesehen wurde und wird.

Andererseits hat Tier- und Menschenblut auch Eingang in die Heilkunde gefunden. Selbst die Farbe des Blutes ist berauschend und erregend: Rot versinnbildlicht Liebe und Leben.

Purpurrot ist die Farbe königlicher Souveränität (abgeleitet von althochdeutsch »ruoth« = Recht = Gesetz) und weltlicher Macht. Deshalb trugen die Richter ursprünglich Rot.

So spielt Blut(-zauber) bei magischen, okkulten und satanistischen Ritualen eine dominierende Rolle. Blutsbrüderschaften, die einen Gleichklang der Seelen voraussetzt, gibt es selbst heute noch in verschiedenen Logen und Orden.

Blut als Energie-Träger soll, so die weitläufige okkulte Weltanschauung, gerade bei Neugeborenen in reinster Konsistenz vorhanden sein.

Gregor A. Gregorius, ehemaliger Großmeisters der Fraternitas Saturni, schrieb im Buch Satanische Magie bezüglich Schwarzer Messen:

»Man bedient sich wiederum des Blutes neugeborener Kinder, die man vorher durch Halsaderschnitt schächtet, um die Hostien damit zu durchtränken.« (203)

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Quellen:

(199) Erich Fromm: „Anatomie der menschlichen Destruktivität“, Reinbek 1977, S. 302, 303

(200) Vgl. sehr ausführlich dazu: Ehrenreich, B.: Blutrituale, Reinbek b. Hamburg 1999

(201) Vgl. Greene, C.: Mörder aus der Retorte, Wiesbaden 1992, S. 101

(202) Vgl. Schüller, C. /Van der Let, R: Rasse Mensch, Aschaffenburg 1999, S. 157; weiterführend auch das Buch des Kulturanthropologen Rene Girard: Das Heilige und die Gewalt, Frankfurt 1992; hierin beschreibt er, wie die antiken Mythen kollektive Verbrechen wie das Menschenopfer verschleiern.

(203) Gregorius: Satanische Magie, Berlin 1983, S. 68


Foto: Symbolbild Pixabay.com (https://pixabay.com/de/photos/puppe-blut-horror-hand-reichweite-3635266/)


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