Der Fall Doreen, in dem eine Mutter um ihre von ihrem tunesischen Ehemann in seinem Heimatland festgehaltenen drei Kinder kämpft,  hat nun Geschichte geschrieben. Für die größte Frauenzeitschrift Deutschlands, der „Bild der Frau“, habe ich diese bereits vor einem Jahr (Februar 2011) veröffentlicht. Nachfolgend der Text.

 

Ihr Ex-Mann hält Fatih (8), Namika (6) und Mustafa (3) in Tunesien fest

Doreen (37):

BITTE, GIB MIR MEINE KINDER ZURÜCK!

 

„Ich hätte mich niemals in diesen Mann verlieben

dürfen“, sagt Doreen*. Seit 17 Monaten hat die

Thüringerin ihre Söhne und ihre Tochter nicht

mehr gesehen, nicht mehr gehört, nicht mehr im Arm

gehalten. Hier erzählt sie von ihrer Ehe-Hölle

– und vom verzweifelten Kampf um ihre Kinder

 

Am Anfang ist es eine Liebesgeschichte.

Im Januar 2001 verbringt Musikstudentin Doreen, 28 Jahre jung, ihren Urlaub in Tunesien. Der vier Jahre jüngere Hotelfotograf Ali fällt ihr sofort auf. Sie kommen ins Gespräch, er macht ihr Komplimente, sie verliebt sich. Es wird mehr daraus. Ali folgt der Deutschen nach Thüringen. Nur sieben Monate nach dem Kennenlernen heiraten sie standesamtlich. Doreen ist im siebten Himmel: „Ich habe nichts kommen sehen.“ Ali arbeitet in seiner neuen Heimat zunächst weiter als Fotograf, später als Reifenmonteur. Im Mai 2002 kommt Sohn Fatih zur Welt, zwei Jahre später Töchterchen Namika. 2006 erhält Ali die deutscheStaatsbürgerschaft. Die Familie zieht nach Süddeutschland um.

„Und plötzlich begann Ali, sich total zu verwandeln“, erzählt Doreen. „Er ging jeden Tag in die Moschee. Hatte auf einmal keine Lust mehr Steuern zu zahlen – er kündigte seinen Job.“ Nun lebt die Familie von Hartz IV. „Ali war nicht mehr der Mann, den ich geheiratet habe.“ Er selbst bestreitet heute, eine radikale religiöse oder extremistische Auffassung gehabt zu haben. Doreen aber beteuert: „Er brachte sogar fanatische Hasspredigten mit in unser Zuhause.“ Als sie ihm droht, ihn zu verlassen, verspricht er, sich zu ändern. „Immer wieder sagte er, er wolle mich auf keinen Fall verlieren.“ Doreen gibt nach. „Er ist der Vater meiner Kinder. Ich wollte ihm glauben.“ Im Dezember 2007 bringt sie sein drittes Kind, Sohn Mustafa, zur Welt. 

„Ich sollte zum Islam konvertieren“ 

Dann der Sommer-Urlaub 2008 in Tunesien. „Ohne jede Vorwarnung erklärte mir Ali, dass ich zum Islam übertreten soll. Und dass er unsere Kinder hier großziehen will.“ Ali stellt die Geschichte anders dar, sagt, Doreen selbst habe in Tunesien leben wollen. „Für mich begann die Ehe-Hölle“, erzählt Doreen mit leiser Stimme. Das Paar wohnt mit den Kindern in einem Ferienhäuschen im Süden Tunesiens. Mit Eltern oder Freunden darf Doreen nur noch telefonieren, wenn Ali daneben steht. „Auch Besuch aus der Heimat durfte nicht kommen. Meine Kinder sollten nur mit muslimischen Kindern spielen. Ali ist aber weiter regelmäßig nach Deutschland geflogen. Er hat Amtstermine eingehalten, um weiter monatliche Sozialleistungen zu beziehen.“ Doreen darf das Grundstück nicht mehr verlassen, wird von Alis Eltern und seinem Bruder bewacht.

Trotzdem gelingt ihr im Juni 2009 die Flucht in die deutsche Botschaft in Tunis, die ihren Kindern Pässe ausstellen soll. Die Rückflüge nach Deutschland sind bereits von einer Freundin gebucht. Doreen: „Aber im Konsulat mussten wir fünf Stunden warten, darum haben wir unseren Flug verpasst. Und als die Botschaft schloss, mussten wir wieder gehen.“ 

„Sie prügelten und bedrohten mich“ 

Die inzwischen benachrichtigte Polizei bringt Doreen und die Kinder zurück zu Ali. Noch einmal kann sie kurz darauf fliehen, wird aber wieder gefasst. „Mein Mann und sein Bruder verprügelten mich, bis ich ihm das Sorgerecht für die Kinder überschrieb.“ Dann werfen die Männer Doreen aus dem Haus. Sie geht zur Polizei, die sie wegschickt. Rettungsanker: ihre Mutter Elke (61), die nach Tunesien geflogen ist. „Doreen war abgemagert“, sagt die Mutter. „Sie hatte blaue Flecken, blutete an den Händen, konnte kaum laufen.“ Eine Woche später kehrt Elke nach Deutschland zurück – ohne Doreen. Warum? „Ich konnte doch meine Kinder nicht zurücklassen!“, sagt die junge Frau. Sie beantragt die Scheidung, lebt in Hotels, die ihr ihre Eltern bezahlen. Doreen: „Ali bekam Angst, die Kinder könnten mir zugesprochen werden. Er passte mich an einer Bushaltestelle ab. Wieder wurde ich ins Haus eingesperrt, geschlagen. Zehn Tage später wollten sie mich dann loswerden. Unter Androhung von noch mehr Gewalt haben Ali und ein befreundeter Polizist mich in eine Maschine nach Deutschland gesetzt.“ Ali streitet im Nachhinein alle gewalttätigen Übergriffe ab, unterstellt Doreen ein Verhältnis zu einem anderen Mann. Nach fast einem Jahr Ehe-Hölle landet Doreen Ende August 2009 schließlich auf dem Frankfurter Flughafen. Völlig verzweifelt. Ohne ihre Kinder, das Wichtigste und Wertvollste in ihrem Leben. Ihre Mutter Elke holt sie ab: „Ich war zu Tode erschrocken, als ich meine Tochter so sah.“ Aber Doreen kämpft. Um ihre beiden Jungs, ihr Mädchen. „Ich vermisse sie so sehr, dass es mich fast zerreißt.“ In Deutschland erhält Doreen das vorläufige Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Sie lässt sich juristisch beraten, versucht, die tunesische Scheidungsprozedur über einen Anwalt zu stoppen: „Ich wollte mich wegen der Rechtssicherheit lieber in Deutschland scheiden lassen.“ Doch ohne ihr Wissen wird die Ehetrennung in Tunesien weiter vorangetrieben. „Mit einem Anwalt, den ich nicht kenne – der mich aber vor Gericht offenbar vertreten hat. Außerdem haben sie mich als verrückt hingestellt: Laut Attest eines in Deutschland praktizierenden arabischen Arztes sei ich psychisch krank, würde meine Kinder vernachlässigen.“ Für Doreen die größte Demütigung: „Ich bin eine gute Mutter! Ich liebe meine Kinder über alles.“ Auch das Jugendamt Mannheim beschreibt Doreen in einem Bericht als verantwortungsbewusste Mutter, die stets liebevoll mit ihren Kindern umgegangen sei. 

„Ich lasse meine Kinder niemals im Stich“ 

Im Januar 2010 werden Doreen und Ali von einem tunesischen Amtsgericht geschieden. Das Sorgerecht für die Kinder erhält der Vater. Das Thüringer Oberlandesgericht, das den Fall prüft, erkennt das tunesische Scheidungsurteil an – nicht jedoch die Sorgerechtsregelung!Die muss extra verhandelt werden. Konkret heißt das: Der Fall hängt in der Luft. Doreen weiß nicht, wann und ob sie ihre Kinder wiedersehen wird.

Aufgeben wird sie niemals. „Ich lasse meine Kinder nicht im Stich. Ich hab das Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt um Hilfe gebeten.“ Bisher vergeblich.

 Guido Grandt

  

* Alle Namen sind zum Schutz der Betroffenen geändert.

 Fortsetzung folgt

 

 

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