Nachfolgend Teil 3 der Schriftliche Arbeit zur Erlangung des Diploms der Schweizerischen Tourismusfachschule STF, Plaine Bellevue, Postfach 80, 3960 Siders Bezness in Hurghada

Autorin Referent

Tschanz Kassem Franziska Anthamatten Hermann

Eingereicht am 15. Juni 2007

Schweizerische Tourismusfachschule Siders (VS)

Tschanz Kassem Franziska Bezness in Hurghada

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4. Bezness in Hurghada

4.1. Verlauf

Die Bezness-Geschichten in Hurghada laufen meist nach einem ähnlichen

Schema ab.

Die Frau fliegt nach Hurghada in den Urlaub, nicht selten zur Erholung nach einer

einschneidenden/ stressigen Situation (beispielsweise Arbeit, Trennung oder

Verlust). Manche Frauen machen aber auch Urlaub mit ihren Kindern und dem

Ehemann. In den meisten Fällen besteht absolut nicht die Absicht, sich sexuell

oder irgendwie anders mit einem einheimischen Mann einzulassen.

In Hurghada angekommen, lernt die Touristin einen Beznesser im Hotel, auf der

Strasse oder im Café kennen. Anders als die ägyptische Frau beantwortet die

Touristin eine Frage (z.B. „Your first time in Hurghada?“) aus reiner Höflichkeit

und gibt dem Beznesser damit die Chance, ein Gespräch zu beginnen. Zudem

wünscht sich die Touristin, mehr über das Land, in welchem sie Urlaub macht, zu

erfahren. Meist folgt auf ein oder mehrere belanglose Gespräche eine

schüchterne Einladung. Die Touristin ist fasziniert von seiner Art, sie als etwas

Besonderes zu sehen und ihr seine ganze Aufmerksamkeit zu schenken, und sagt

zu. RIGO führt an, dass diese Idealisierung der Frau bei vielen Touristinnen,

ihrem westlichen und romantischen Liebesbegriff entsprechend, falsche Illusionen

hervorruft.

Manche Touristinnen gehen mit ihrer Urlaubsbekanntschaft bis zum Äussersten,

bei anderen passiert vorerst gar nichts. Entscheidend ist aber, dass die

Verbindung nach dem Ende des Urlaubs nicht abbricht und sich der Kontakt

intensiviert. Unzählige Telefonate folgen und Stunden werden im Internetchat

verbracht, um sich besser kennen zu lernen.

Die seelische Verfassung, das Aussehen und Alter der Frau spielen dabei oft eine

entscheidende Rolle. Verzweiflung, (Existenz)Angst, Naivität, Trauer,

Zurückweisung anderer Männer und Minderwertigkeitskomplexe erleichtert ihm

das Bekunden von Werten wie Schutz, Bestätigung und Anerkennung, die für ihn

selber keine Bedeutung haben. Ihr aber vermitteln diese das Gefühl von

Selbstvertrauen, Geborgenheit und Liebe.

Oft ist der Altersunterschied relativ gross, er beispielsweise 19, sie über 60 Jahre

alt.

Dabei wird abgewogen, ob es besser ist, sich mit einer älteren Frau

einzulassen, weil diese finanziell meist besser gestellt und unabhängiger ist. Wie

man in Hurghada so schön sagt: „No money – no honey“. Jüngere Frauen sind

beliebt, wenn es um Sex geht und weil man sich mit ihnen lieber in der

Öffentlichkeit zeigt.

Die Touristin kehrt nach einiger Zeit wieder nach Hurghada zurück oder er reist in

das Heimatland der Frau. Die Touristin geht dabei davon aus, dass man sich

gemeinsame eine Zukunft aufbauen will.

Viele Frauen reisen dabei mehrere Male nach Hurghada, ohne zu wissen, dass

sie nicht die Einzigen sind. Wenn verschiedene Frauen gleichzeitig in Hurghada

sind, versteht es der Beznesser meist geschickt, sie voneinander zu verstecken.

Das ganze Umfeld weiss dabei meist Bescheid, sagt aber nichts. Viele Frauen

schlagen Warnungen auch in den Wind und leiden unter dem so genannten

„AMIGA-Syndrom“.

Die Frauen finanzieren oft den gesamten Aufenthalt,

inklusive Ausgaben für Anreise, Miete, Essen und Geschenke. Viele Frauen

schicken auch während ihrer Abwesenheit Geld, um der kranken Mutter eine

Operation zu ermöglichen, weil sie sonst stirbt oder um Schulden zu begleichen,

weil der Beznesser sonst angeblich ins Gefängnis wandern würde.

Oder sie kauft ein Haus, ein Auto oder finanziert sein eigenes Geschäft. Einige

Frauen geben die Existenz in ihrem Heimatland auf, um nach Hurghada

umzusiedeln, andere heiraten, um den Mann in ihr Heimatland nachkommen zu

lassen.

Tempo, Intensität und Ausmass unterscheiden sich dabei von Fall zu Fall.

Gemeinsam bleibt aber all diesen Geschichten, dass die Ziele und Absichten der

Touristin eine Beziehung nach ihren Vorstellungen ist, der Mann aber vor allem

seine Existenz sichern möchte.

Leider sind keine offiziellen Zahlen über Bezness in Hurghada verfügbar,

geschweige denn über andere nordafrikanische Destinationen.

Evelyne Kern schätzt die Lage in Tunesien folgendermassen ein:

„Allein aus Deutschland werden der Deutschen Botschaft in Tunis jährlich

etwa 1700 schwere Betrugsfälle [von Frauen] gemeldet. Die Dunkelziffer

liegt jedoch wesentlich höher, weil nicht jede Frau Anzeige erstattet.“

Es wurde versucht zu eruieren, ob die Besucherzahlen von weiblichen Gästen

über jenen von anderen Destinationen liegen, allerdings gibt es dazu leider keine

Zahlen (in bestehenden Erhebungen wird nicht nach Geschlecht unterschieden).

Weiter erschwert wurde die Recherche, da viele Frauen privat logieren –

insgesamt ist es nicht möglich, hier eine verlässliche Aussage über das Ausmass

von Bezness in Hurghada zu machen.

4.2. Die ägyptischen Beznesser

Der ägyptische Beznesser kann kaum charakterisiert werden. Es kann der

Besitzer eines grossen Reisebüros sein, der Sex will, es kann aber auch der

Angestellte eines Souvenirshops sein, der gerne einen eigenen Shop eröffnen

möchte oder der Kellner in einem Hotel, der davon träumt, in Europa zu arbeiten.

Motive, Ziele und Vorgehen hängen sehr stark davon ab, welches die persönliche

Situation des Mannes ist und was er in seiner Zukunft erreichen möchte. Mehr zu

den Motiven der Männer findet sich in Kapitel 5.

In Hurghada gibt es eine Art inoffizielle Gesellschaftshierarchie.

Zuoberst steht,

wer ein eigenes Geschäft oder Unternehmen hat. An zweiter Stelle stehen die

Angestellten des formellen Sektors, beispielsweise in einem Hotel. An dritter und

letzter Stelle stehen die Angestellten der Bazare (mit oft informellen

Anstellungsverhältnis). Kharti’s werden diese genannt und müssen die Touristen

von der Strasse fischen. Wer erfolgreich verkauft, hat Anspruch auf eine

Kommission.

Je tiefer also jemand in dieser Hierarchie steht, umso interessanter und wichtiger

ist für ihn auch der ökonomische Aspekt von Bezness.

4.2.1. Die Vorstellung einer Beziehung

In der Vorstellung der Ägypter gilt die Ehe als einzig rechtlich legale und

gesellschaftlich akzeptierte Verbindung zwischen Mann und Frau. Aussereheliche

Verbindungen gibt es zwar, sie entsprechen aber in keiner Weise geordneten

Verhältnissen.

POLLOK beschreibt die Vorstellung der Ehe folgendermassen:

Nach islamischem Recht stellt die Ehe einen zivilrechtlichen und von

ökonomischen Interessen ausgehenden Vertrag dar. Umarmungen, Küsse

und selbst das Händchenhalten fallenmit dem, was wir von erster

Verliebtheit an miteinander erleben, in der arabischen Gesellschaft aus

dem Rahmen des Normensystems. Darüber hinaus besteht überhaupt kein

Anspruch, Verliebte miteinander zu verehelichen, da sich die Gefühle

wirtschaftlichen Vorteilen unterordnen müssen. Liebe zwischen Eheleuten

drückt sich dementsprechend in Geschenken und nicht durch Zärtlichkeit

aus, da das Zusammenleben nicht auf gefühlvoller Zuwendung basiert und

anders als bei uns verstanden wird.

Freundschaft zwischen Mann und Frau gibt es nicht, wie SOOKHDEO anführt:

[Das Problem] ist, dass diese Art der geschlechterübergreifenden

Freundschaft in seiner Kultur überhaupt nicht existiert. Durch diesen

freundschaftlichen Umgang aber gibt sie ihm für ihn unmissverständliche

Signale, da er denken muss, sie wolle eine physische Beziehung und

ermutige ihn dazu.

Durch diese Ausführungen wird nun klar, inwiefern das Verständnis eines

ägyptischen Mannes für eine Beziehung sich total vom Verständnis einer

westlichen Frau unterscheidet. Auch wird klar, dass er wegen seines anderen

Verständnisses kaum Reue oder Gewissensbisse aufbringen wird, Bezness zu

betreiben. Auf die daraus entstehenden Konflikte wird nochmals näher in Kapitel

7.2 eingegangen.

Da es in Hurghada theoretisch illegal ist, unverheiratet zusammenzuleben, haben

sich die Orfi-Ehen etabliert. Dies ist ein Beispiel, inwiefern Bezness in Hurghada

zu einer Institutionalisierung geführt hat. Ägyptern ist es in Hurghada verboten,

sich auf der Strasse mit Touristinnen zu bewegen, als Konsequenz kann man

verhaftet werden. Durch diese halblegalen, bei einem Anwalt im Beisein von zwei

Zeugen angefertigten Orfi-Dokumente kann man sich auf der Strasse ungefährdet

bewegen und zusammen eine Wohnung mieten.

Dabei werden die Personalien beider Partner aufgenommen und der Vertrag wird

im Beisein der beiden Zeugen unterschrieben. Eine Kopie verbleibt dabei

normalerweise beim Anwalt, eine zweite verbleibt beim Paar. Anschliessend kann

der Vertrag im Familiengericht bei Bedarf beglaubigt werden und als Grundlage

für eine „echte“, aber nur in Ägypten anerkannte Heirat, dienen.

Allerdings können aufgrund eines Orfi-Dokuments seitens der Frau keinerlei

Forderung gestellt werden und Frauen wägen sich durch die „Heirat“ in falscher

Sicherheit. Der Mann kann ihr theoretisch die Ausreise aus dem Land verbieten.

Weiter kann Frau in ernsthafte Schwierigkeiten geraten, wenn sie mehrer solcher

Verträge unterschreibt (die Frau darf, im Gegensatz zum Mann, nur einmal

heiraten).

Viele Männer schliessen Orfi-Verträge mit mehreren Frauen oder benutzen immer

den gleichen Vertrag, auch wenn sie mit einer anderen Frau unterwegs sind.

Inzwischen kann man einen solchen Vertrag sogar schon in der Diskothek

anfertigen lassen, um jemanden, den man erst gerade kennen gelernt hat, mit

nach Hause zu nehmen.

Insgesamt sind diese Verträge sehr umstritten und

werden als Beweismittel im Falle eines Betruges nicht anerkannt.

Auch sind sie wie schon erwähnt nur halblegal, wenn man beispielsweise

zusammen ein Hotelzimmer buchen möchte oder aus Hurghada mit privatem Auto

„ausreisen“ will, ist der vom Gericht ausgestellte Ehevertrag nötig.

Nach offiziellen Angaben wird die Zahl dieser Orfi-Ehen in ganz Ägypten auf

700’000 geschätzt. Auch Orfi-Ehen zwischen Ägyptern und Ägypterinnen sind

keine Seltenheit mehr, meist weil man sich eine Heirat nicht leisten kann oder eine

zweite Ehefrau geheim halten will.

Sehr oft sind gerade ältere Beznesser schon mit einer ägyptischen Frau, mit der

er auch Kinder hat, verheiratet. Viele ägyptische Frauen tolerieren die

Verbindungen, meist haben sie auch gar keine andere Wahl. Eine Quelle

bezeichnet sogar die ägyptischen Ehefrauen als mögliche treibende Kraft für

Bezness, weil sie sich dadurch eine Verbesserung ihrer Lebensumstände

erhofft.

4.2.2. Ehrbegriff und Status

Wie schon erwähnt befinden sich die Männer in Hurghada meist ausserhalb ihres

gewohnten Umfeldes, da ihre Familien aus Oberägypten oder Kairo stammen.

Somit geniessen die Männer eine gewisse Anonymität und entfliehen der

Kontrolle der Familie. Gleichzeitig verlieren sie damit aber auch ein wichtiges

Merkmal ihrer Identität. In ihrem Dorf oder Viertel kennt jeder seine Familie und

alle wissen, welche gesellschaftliche Stellung diese einnimmt – die Rollen sind

fest verteilt. Familie und Ehre erfüllen somit eine identitätsstiftende Funktion.

Ehre ist eine spezifische Vorstellung, durch die gesellschaftliche

Verhältnisse geregelt werden. Es geht um den Rang und das

gesellschaftliche Ansehen einer Person, aber nicht der isolierten

Einzelperson, sondern der Person als Mitglied oder Repräsentant einer

Familie. (…) in traditionalen [arabischen] Gesellschaften ist die Stellung

des Einzelnen in der Gesellschaft durch seine Zugehörigkeit zu einer

bestimmen Familie gegeben. (…) Die Ehre ist deshalb ein Besitz, der stets

gefährdet ist. Die Familienmitglieder werden streng darüber wachen, dass

der Einzelne durch sein Auftreten in der Öffentlichkeit diesem kollektiven

Gut kein Schaden zufügt.

Da in Hurghada die meisten Männer aber ohne ihre Familie sind und ihnen somit

eine wichtige, auf tribalem Verständnis aufgebaute Identifikation fehlt, nimmt ein

anderes Attribut plötzliche eine wichtige Stellung ein: Status.

In (modernen) Gesellschaften, die durch innere Dynamik, also

Durchlässigkeit oder Umwälzung oder Abschaffung der Klassen- oder

Standesschranken definiert sind, ist die Stellung des Einzelnen eher etwas,

das er (durch Leistung) erwirbt, also ein Status.

Dies erklärt, wieso die Beznesser unbedingt zu Reichtum und Besitz kommen

wollen. Sie haben ihren Familienverbund verlassen und müssen sich nun

weitgehend anders identifizieren, auch um erfolgreich wieder zurückzukehren. Die

in Kapitel 3.4 beschriebene Netzwerkfunktion kann die Familie dabei nicht

vollständig ersetzen. Nur indem die oftmals jungen Männer einen gewissen Status

innerhalb eines anders strukturierten Gesellschaftssystems erwerben, können sie

auch nachhaltig zu ihrer Identität und zur Ehre der Familie beitragen.

Der Ehrbegriff nimmt aber weiterhin eine wichtige Rolle ein. Da Touristinnen dem

Ehrbegriff mit ihrem Verhalten und der Kleidung nicht gerecht werden, ist für die

Beznesser ihr Handeln gerechtfertigt.

4.3. Die europäischen Touristinnen

Ähnlich wie bei den ägyptischen Männern ist es kaum möglich, die Gruppe der

betroffenen Touristinnen zu beschreiben, da diese nicht homogen ist. Deshalb

können weder im Bezug auf Alter, Ausbildung noch Einkommen eine genaue

Aussage gemacht werden. Diese Erkenntnis wird auch von der gemachten

Umfrage gestützt.

Bei der Frage nach den Urlaubsbedürfnissen der Frauen ergab sich das folgende

Bild…

Für die befragten Frauen steht im Urlaub insbesondere das Bedürfnis nach

Erholung im Vordergrund. Dagegen steht aber Sex oder die

Suche nach einem Partner im Hintergrund. Wie HEROLD

feststellt, fährt die grosse Mehrheit der Frauen nicht mit der Absicht in den Urlaub, sich dort mit

einem einheimischen Mann einzulassen. Wenn dies dennoch geschieht, sehen

die Meisten diese Verbindung aber als romantisch und nicht sexuell.

Auch JEFFREYS führt dazu an:

“The woman tourists (…) do not recognize that the men are interested in

monetary reward and consider that they are being genuinely wooed for a

short-term romance or something more serious.”

Diese schon erwähnte Diskrepanz im Verständnis für die Verbindung führt zu

Konflikten. Insbesondere Frauen, die zum ersten Mal nach Hurghada reisen und

wenig über die Hintergründe wissen, beurteilen die Situation oft mit dem

Hintergrund ihrer eigenen Herkunft.

Offen und freundlich sein, besonders in Urlaub, ist selbstverständlich, wie auch

alleine in den Urlaub zu fahren. Ägyptische Männer beurteilen dieses Verhalten

aber mit ihren eigenen Werten und haben deshalb ein ganz anderes Bild der

Touristin.

Viele Frauen machen zudem die Erfahrung, dass sie sich nicht erklären können,

welches genau die Gründe für ihr Verhalten sind:

…, my behavior deviated so sharply from that at home that I shocked

myself. A completely new woman whom I’d never met (…), with no selfawareness

as to why. (…) So we know that a woman will behave differently

away from home, but we still wonder exactly why.

In den beiden folgenden Kapiteln werden nun die möglichen Motive der

Beznesser und Touristinnen diskutiert.

5. Motive der Männer

In diesem Kapitel werden die Resultate der Umfrage zu den Motiven der Männer

präsentiert. Zuerst wird jeweils die Beurteilung der befragten Frauen bzw.

Männer aufgezeigt, anschliessend werden diese mit Hilfe von bestehenden

Quellen interpretiert.

5.1. Langeweile

Frauen und Männer schätzen Langeweile nicht unbedingt als wichtiges Motiv von

Männern für Bezness ein. Somit ist Bezness weder ein Hobby noch ein

Zeitvertrieb, sondern hat andere Motive und Hintergründe.

5.2. Finanzielle Motive

Die Umfragen haben ergeben, dass 97% der Frauen glauben, dass finanzielle

Absichten ein sehr bis ziemlich wichtiges Motiv der Männer darstellen. Bei den

ägyptischen Männern sind es 89%, welche die finanziellen Motive als sehr bis

ziemlich wichtig einschätzen.

Wie schon erwähnt, ist das Einkommen vieler Ägypter sehr tief. Allerdings muss

man hier auch nach Erwerbstätigkeit unterscheiden.

Ein Angestellter in einem Bazar arbeitet normalerweise auf Kommissionsbasis,

diese beträgt zwischen 20 und 25% des Gewinnes. Einen durchschnittlichen

Verdienst anzugeben ist sehr schwierig, da dieser stark vom verkauften Gut, dem

erzielten Preis, den Käufern und der Saisonalität abhängt.

Ein einfacher Angestellter in einem Hotel in Hurghada verdient zwischen 30 und

100 EUR pro Monat, dazu kommen noch Einnahmen aus Trinkgeldern. Oft

werden diesen Angestellten Unterkunft und Verpflegung zur Verfügung gestellt.

Da es sehr schwierig ist, von solch tiefen Gehältern zu leben, die Familie zu

unterstützen oder sich eine eigene Zukunft aufzubauen, suchen sich viele

Männer andere Einnahmequellen. DE ALBUQUERQUE führt dazu an:

For them this is simply another subsistence/survival strategy in a region

with perennially high rates of unemployment and underemployment.

Die direkte Frage nach Geld wird aber selten gestellt, da inzwischen viele Frauen

misstrauisch sind. Viel öfters wird ein Vorwand erfunden, wieso man dringend

Geld benötigt, meist unter Vorspiegelung falscher Tatsachen, beispielsweise

dass ein Familienmitglied dringend operiert werden muss oder die Schwester

heiraten will. Aus Mitgefühl oder Mitleid unterstützen viele Frauen die

Beznesser. Oft bezahlt die Frau auch für Unterkunft und Essen sowie Eintritte oder Ausflüge,

alles Dinge, die er sich sonst kaum leisten könnte. SANCHEZ TAYLOR

beobachtete weiter das Folgende:

…, tourist women do not always realize how their local partners extract a

financial benefit from them. Beach boys [d.h.Beznesser] explained that the

trick is to take the woman to bars, shops and restaurants where friends

work, ensure that they are over-charged for goods, and then split the

reward with the friend.

In Hurghada beträgt der Anteil für den Beznesser nach einem erfolgreichen

Verkauf bis zu 50% Kommission. Wie schon in Kapitel 3.4 beschrieben ist dies

ein Grund, dass der Netzwerkfunktion eine wichtige Bedeutung zukommt. Da die

wenigsten Frauen Arabisch sprechen, kann auch ohne Probleme in ihrer

Anwesenheit verhandelt werden. Der Beznesser lässt die Frau gerne einen zu

hohen Preis bezahlen, weil sein Anteil sich dadurch vergrössert, lässt sie aber im

Glauben, dass er für sie einen sehr guten Preis ausgehandelt hat.

5.3. Besseres Leben

Frauen und Männer schätzen beide die Aussicht auf ein besseres Leben mit um

die 80% als sehr wichtiges Motiv für die Männer ein. Eine anonyme Autorin

schätzt das Verhalten der Männer folgendermassen ein:

Es geht ums Überleben, um den Traum ein gehobenes und sorgenfreies,

BESSERES Leben führen zu können, wie es alle Touristen bereits tun –

die Frauen selbst haben den Betrug in vielen Fällen sogar verdient – sei

es auf Grund ihrer Überheblichkeit, ihres Prahlens, dem Verlust jeglicher

Ehre… und ansonsten ist es egal – manchmal müssen Opfer gebracht

werden.

5.4. Sexualität

Die befragten Frauen und Männer stufen Sex je mit um die 70% als sehr

wichtiges Motiv für die Männer im Zusammenhang mit Bezness ein. Somit

stehen neben den ökonomischen Motiven auch sexuelle Motive sehr weit oben

auf der Rangliste.

Wie schon im Kapitel 4.2.1 beschrieben, ist es für einen Ägypter schwierig bis

unmöglich, sexuelle Erfahrungen mit Ägypterinnen ausserhalb einer Ehe zu

haben. Insbesondere jüngere Männer können aber eine Ägypterin erst heiraten,

wenn sie die dazu nötigen ökonomischen Voraussetzungen haben. Dabei muss

der Mann in Ägypten die Wohnung und das Gold für die Frau in die Ehe

einbringen und fähig sein, eine Familie zu ernähren.

Weiter fallen relativ hohe Kosten für das Hochzeitsfest selber an.

BOWMAN beschreibt in seinem Artikel die Situation von jungen Arabern in Israel

wie folgt:

Die Mädchen bringen die gesamte Ausstattung für den Haushalt mit. Diese Auslagen werden

von den Familien getragen, oft unterstützten deshalb die Brüder ihre Schwestern, damit sie

heiraten können.

…their sexual frustration [can be seen] as a result of traditions which

permit marriage only when a certain- advanced- age is reached and a

certain- seemingly inaccessible- prosperity is achieved.

BELLIVEAU argumentiert folgendermassen:

Islam’s strong proscriptions against extramarital sex and its required

chaperonage of unattached females give special incentive to single young

men (…) to seek out foreign tourists for sex.

Die Männer gehen dabei sehr oft davon aus, dass die Frauen auch wegen Sex

nach Hurghada reisen und sie ein Bedürfnis der Touristinnen befriedigen.

5.5. Interesse

Über 50% der Männer geben Interesse für die Touristinnen als Motiv an. Unklar

bleibt aber, inwiefern sie sich für die Touristin interessieren und ob es um die

Touristin als Persönlichkeit geht. Denkbar wäre auch, dass Interesse an ihrer

Kultur und Sprache besteht, um die für Bezness nötigen Kenntnisse zu

verfeinern oder Interesse wiederum nur an ihrer wirtschaftlichen Situation

herrscht.

Die befragten Frauen schätzen das Interesse des Beznessers an der Touristin

als viel weniger wichtiges Motiv ein. Die Wahrscheinlichkeit ist aber gross, dass

dieses Resultat auf die Erfahrungen der befragten Frauen zurückzuführen ist. Bei

Bezness interessieren sich die Männer ja nicht vordergründig für die

Persönlichkeit der Frau, sondern für ihren ökonomischen Hintergrund oder

Körper.

5.6. Bequemlichkeit

Auch dieses Motiv der Männer schätzen die befragten Frauen und Männer

wieder unterschiedlich ein. Vor allem die Männer schätzen Bequemlichkeit der

Beznesser als sehr bis ziemlich wichtiges Motiv ein. Die Frauen wiederum geben

mehrheitlich an, dass Bequemlichkeit ein weniger bis gar nicht wichtiges Motiv

ist. Insbesondere die Resultate der Frauen erstaunen hier, da angenommen wurde,

dass die Frauen das Motive Bequemlichkeit als wichtiger einstufen würden und

der Meinung wären, dass Männer Bezness betreiben, da sie zu bequem für

reguläre Arbeit wären.

5.7. Statusgewinn

Wie in Kapitel 4.2.2 schon angeführt, spielt Status in Hurghada eine wichtige,

identitätsstiftende Rolle. Deshalb erstaunt es wenig, dass Frauen und Männer

den Statusgewinn als sehr bis ziemlich wichtiges Motiv für Bezness beurteilen.

PRUITT und LAFONT bezeichnen es als „pressure to establish one’s maleness

through abilities to disperse cash“.

Anderen zeigen zu können, dass man Geld, ein Auto oder ein Haus hat und auch verschiedene Frauen haben kann, spielt eine wichtige Rolle.

Hinsichtlich der sexuellen Eroberungen (hier in Bezug auf die Karibik) führt

JEFFREYS die folgende Erkenntnis an:

Indeed researchers agree that because men gain superior masculine

status in Caribbean societies among their peers according to the number

of their sexual conquests, and white woman count for more points, beach

boys gain socially from sexual engagement with woman tourists.

Mehrere Frauen bedeuten mehr finanzielle Vorteile und somit einen besseren

Status.

5.8. Leichte Beute

Die grosse Mehrheit der befragten Frauen und Männer stufen das Motiv der

Beznesser, dass Touristinnen leicht zu erobern sind, mit sehr bis ziemlich wichtig

ein.

Wie bereits angesprochen, signalisieren die Touristinnen dem Beznesser auf

Grund seines Verständnisses und seiner Beurteilungsgrundlagen, dass sie bereit

für ein Abenteuer sind. Die leichte, knappe Bekleidung, für die Frauen im Urlaub

und der Sonne angebracht, hat für die Männer eine ganz andere Bedeutung.

Auch der Blick in die Augen bei einer Unterhaltung, die Bereitschaft, auf eine

Unterhaltung einzugehen, auf der Strasse stehen zu bleiben oder eine Einladung

anzunehmen, interpretiert der Beznesser als (sexuelle) Bereitschaft.

Eine Verabredung mit einer traditionellen Ägypterin in einem Cafe vor der Heirat

ist schwer vorstellbar. Schon alleine die Tatsache, dass Frauen alleine in den

Urlaub fahren, erweckt bei Ägyptern den Eindruck, dass sie nur gekommen sind,

um (sexuell) erobert zu werden.

„Auf Grund ihrer offensichtlichen Wertlosigkeit [die sie mit ihrem Verhalten

signalisieren] ist es kein Verbrechen, sie zu benutzen“, rechtfertigen Beznesser

ihr Verhalten.

5.9. Zukunftsperspektive

Das Motiv, dass der Mann so handelt, weil er keine Zukunftsperspektive hat,

wurde von der Mehrheit der befragten Frauen und Männer mit sehr bis ziemlich

wichtig beurteilt.

Auch wer sich eine sehr gute Ausbildung leisten kann, hat meist keine Aussicht

auf eine Arbeit mit einem regelmässigen Einkommen. Die Arbeitslosenquote in

Ägypten wird offiziell mit 10.3% (2006) angegeben. Viele Angestellte (gerade

im Staatsdienst) leben von einem Lohn, mit welchem sie Frau und Kinder nicht

ernähren können. Mit Arbeiten im informellen Sektor wird oft versucht, weitere

Einnahmen zu generieren. Eine soziale Absicherung vom Staat gibt es nicht,

meist unterstützt man sich innerhalb der Familie. So erstaunt es wenig, dass

20% der ägyptischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze leben.

5.10. Heirat

Wie schon in Kapitel 5.4 beschrieben, fallen für einen ägyptischen Mann im Falle

einer Heirat mit einer Ägypterin erhebliche Kosten an.

Schon bei der Definition von Bezness durch die befragten Frauen ist aus Abb. 1

ersichtlich, dass Heirat als wichtiges Kriterium für Bezness bezeichnet wird.

Insgesamt kann der Beznesser dadurch verschiedene andere Ziele erreichen.

Mit der Orfi-Heirat kann er mit der Touristin zusammen sein und ihr das Gefühl

von Sicherheit vermitteln. Dadurch wird sie umso mehr bereit sein, in die

gemeinsame Zukunft zu investieren.

Gleichzeitig muss man sich bewusst sein, dass trotz der Kosten längerfristig für

viele Beznesser und insbesondere deren Familie, nur eine Ägypterin als Frau

und Mutter in Frage kommt. Viele, insbesondere ältere Beznesser sind zudem,

ohne dass es die europäischen Frauen wissen, sowieso schon verheiratet und

geben die Ehefrau gar als Cousine oder Schwester aus.

Mit einer Ehe auf der Botschaft und der anschliessenden Ausstellung der

Aufenthaltsbewilligung kann er in das Heimatland der Frau reisen, welches

Reichtum und Erfolg verspricht.

Meist stellt sich das Leben dort allerdings in der Realität als nicht so

verheissungsvoll dar wie es erwartet wurde. Sprach- und

Integrationsschwierigkeiten und die Schwierigkeit, eine passende Arbeit zu

finden, belasten viele Ehen auf Dauer sehr stark, zumal die Frauen in ihrem

eigenen Heimatland den finanziellen Forderungen bald nicht mehr gewachsen

sind.

Zwar würden viele Beznesser in Hurghada Europa gerne besuchen, aber gerade

ältere Männer, die auch Verpflichtungen gegenüber der ägyptischen Familie

(Kinder, Frau oder Eltern) haben, wollen gar nicht unbedingt für eine längere

Zeitdauer in Europa bleiben. Für diese bleibt vor allem die Existenzsicherung in

Ägypten selber ein wichtiges Ziel.

Insgesamt können die Motive der männlichen Beznesser so zusammengefasst

werden, dass sie die Reaktion auf sexuelle Unterdrückung, Existenzängste und

aussichtslose Zukunftsperspektive sind.

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