Im Folgenden möchte ich mich ausdrücklich NICHT mit den weltverschwörerischen Vorwürfen beschäftigen, dass Freimaurer mit dem Teufel paktieren, Schwarze Messen abhalten oder gar Menschenopfer darbringen (dies alles gehört in die krude Schubalde von völkischen oder kirchlichen Verschwörungstheoretikern), sondern mit den magischen, okkulten und esoterischen Strömungen, Personen und Weltanschauung innerhalb der Freimaurerei, die „nachweisbar“ und „belegbar“ sind.

Ein anderer war Jean-Baptiste Willermoz (1730 – 1824), der in der Freimaurerei der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine führende Rolle spielte; einst Großmeister einer der drei Lyoner Logen. Er suchte in der Freimaurerei die mystische Welt des Okkulten. Zusammen mit seinem Bruder beeinflusste er alle maurerischen Zentren Lyons, besaß starke okkultistische Neigungen, veranstaltete spiritistische Seancen und entwickelte ein neues esoterisches Freimaurersystem. In ihm versuchte er intensiv traditionelles esoterisches Wissen im Rahmen einer „klassischen“ Geheimgesellschaft weiterzuvermitteln.

Und auch Dom Antoine Joseph Pernetty (1716 – 1796) spielte eine große Rolle in der okkultistischen Freimaurerei. Er gründete das hermetische freimaurerische System „Illuminés d´Avignon“, eigentlich eine alchemistisch-theosophische Geheimgesellschaft, die nichts mit dem berüchtigten „Illuminaten-Orden“ zu tun hatte und schuf innerhalb der Aristrokatenloge „Les sectateurs de la vertu“ ein weiteres neues System, den „Rite hermétique“, beziehungsweise den „Rite de Pernetty“. Zunehmend verfiel er der Mystik und kam sich als Neugeborener, Seher und Erleuchteter vor, suchte den „Stein der Weisen“ und nahm auch eifrig an den Arbeiten der Berliner okkultistischen Maurerzirkel teil.

Martines des Pasqually (? – 1774) erschuf mit seinem „Elus Coens“ ein okkultistisches Hochgradsystem, in deren Mitglieder glaubten, mit magischen Übungen („Vertus actives“) mit der Göttlichkeit in Verkehr treten zu können, um dadurch unsterblich zu werden!

Mit eine sehr gewichtige Rolle zu jener Zeit spielte natürlich auch der wohl bedeutendste Kenner und größte Okkultist des 19. Jahrhunderts, der  katholische Ex-Priester Alphonse Louis Constant, besser bekannt als „Magier“ Eliphas Levi (1810-1875). Er wird als der Begründer des „modernen“ Okkultismus in Frankreich gesehen, der nicht nur Kontakte zu den Rosenkreuzern, sondern auch zu mystisch-maurerischen Zirkeln suchte und der einen „großen Einfluss auf den Satanismus zu Ende des 19. Jahrhunderts“ ausübte (Karl R. H. Frick).

Mit Unterstützung des Freimaurerhistorikers und Hochgradmaurers Jean-Marie Ragon (1781-1862) veröffentlichte er sein Werk „Dogme de la Haute Magie“, in dem er die theoretische Kabbala und Magie darstellte. Wenig später folgte der zweite Band, in dem es um praktische Magie, ihre Rituale und Zeremonien ging. Levi wurde am 14. März 1861 in Paris in die französische Freimaurerloge „La Rose du Parfait Silence“ (gegründet am 7. Dezember 1812) eingeweiht. Ob er Hochgradmaurer war ist nicht mit Bestimmtheit zu sagen. Doch sein Gedankengut beeinflusste nicht nur die „Geheimlehre“ der Theosophin Helena Blavatzky (1831– 1891), sondern auch die „Morals and Dogma“ des Ideologen des „Alten und Angenommenen Schottischen Ritus der Hochgradmaurer“. In Folge abfälliger Kritik an einem seiner Vorträge soll Levi wieder aus der Freimaurerloge ausgetreten sein, wie im „Internationalen Freimaurer Lexikon“ zu lesen ist. In  Karl R. H. Frick’s Standardwerk „Licht und Finsternis – Okkulte Geheimgesellschaften bis zur Wende des 20. Jahrhunderts“, in dem er sich ausführlich mit der Biographie Levis beschäftigt, findet sich jedoch kein Hinweis über seinen Austritt aus der Freimaurerloge und das obwohl der dem Freimaurer-Sachverhalt ein eigenes Kapitel: „Constant als Freimaurer“ (S. 400ff.) gewidmet hat.

Selbst Freimaurer-„Vorzeige“-Bruder Johann Wolfgang von Goethe soll darin verwickelt gewesen sein: „Goethes Faust hat das ganze Spektrum der herkömmlichen Wissenschaften studiert…Jedoch ist er am Ende seiner Weisheit angelangt und empfindet Auswegslosigkeit. Er weiß immer noch nicht ‚was die Welt  im Innersten zusammenhält’. Deshalb ist er bereit, die konventionellen Wege der Wissenschaft zu verlassen und sich der Magie hinzugeben.“[1]

Als „Verteidigung“ beziehungsweise Erklärung dieser „magisch-okkultistischen“ Freimaurerei erklärt der Großmeister der „Großloge von Österreich“: „Die hier von Ihnen zitierten okkultistischen/esoterischen Umstände aus der Geschichte haben für die heutige Freimaurerei überhaupt keine Bedeutung und es muss in diesem Zusammenhang auch noch einmal grundsätzlich darauf hingewiesen werden, dass sich viele Verirrungen und Entwicklungen in der Vergangenheit des freimaurerischen Etiketts bedient haben, ohne dort wirklich dazuzugehören. Wie bereits erwähnt, der Begriff Freimaurerei ist nicht geschützt und kann von jedem gebraucht respektive missbraucht werden. Richtig ist sicherlich, dass es in der Vergangenheit immer wieder Entwicklungen auch innerhalb der Freimaurerei gegeben hat, die in dieses mystische, okkultistische oder wenn Sie wollen auch schwärmerische abgeglitten sind, das hat aber aus heutiger Sicht überhaupt keine Bedeutung für die Wesenselemente der Freimaurerei, die dafür maßgeblich sind, dass die Organisation als solches in ihren Grundstrukturen gute 300 Jahre überlebt hat.“[2]

Doch wie bereits aufgezeigt und noch zu zeigen sein wird, haben diese „Entwicklungen“ durchaus noch eine Bedeutung für verschiedene „Wesenselemente“ der Freimaurerei.

In der Hiramslegende hat der Meistergrad der Johannismaurerei ebenfalls esoterische Bezugspunkte.[3] Der Freimaurer Alfried Lehner meint noch 1997 in seinem in der 4. Auflage erschienenen Buch „Die Esoterik der Freimaurer“: „Diese esoterische Tradition stellt die unmittelbare Verbindung her zu einem Brauchtum, das aus vielen Quellen in die Freimaurerei eingeflossen ist und das den Freimaurerbund von anderen Vereinigungen mit ähnlichen ethischen Zielen grundlegend unterscheidet. Es besteht in der Pflege altehrwürdiger Rituale, in welchen mit Hilfe von Symbolen Bereiche der menschlichen Seele angesprochen werden, an die Worte nicht mehr heranreichen.“[4]

Das Symbol soll auch Abstraktes in Gegenständliches überführen und auch verhüllen, denn nur ein eingeweihter Kreis weiß von dessen Bedeutung und Nichteingeweihten bleibt die Bedeutung verschlossen. Die Symbole der Freimaurerei gliedern sich in Worte, Bilder und Handlungen.

„Vom rechten Weg abgeirrte Freimaurer jener Tage haben nachzuholen versucht, was ihnen der Volksglaube schon lange zuschrieb,“ steht im „Internationalen Freimaurer Lexikon“ (S. 538) dazu zu lesen. „Noch heutigentags lässt ja der Aberglaube die Freimaurer einen Teufelspakt unterzeichnen, schreibt ihm außergewöhnliche Fähigkeiten, wie die der Verwandlungsfähigkeit, unermesslicher Reichtümer, die Fähigkeiten des Ferntötens u.a. zu…Es ist jedenfalls eine eigenartige Erscheinung, dass, während in Frankreich die Menschenrechte proklamiert wurden, Menschen der gleichen Bildungs- und Gesellschaftsschichten zu Magie und Höllenzwang ihre Zuflucht nahmen.“

Dennoch propagieren auch in jüngster Zeit Freimaurer den universellen Leitsatz der Magie: „Wie oben, so unten, also wie im Himmel so auf Erden“ (oder: „Wie im Kleinen, so im Großen“). Dazu meint der Freimaurer Alfried Lehner: „Die Umwandlung der operativen Bauhütten in symbolisch, nämlich am ‚Tempel der Humanität’ arbeitende Logen wurde durch ein Brauchtum gefördert, welches das analoge Denken anregte: der Tempel als Abbild des Kosmos ebenso wie das Abbild des menschlichen Körpers. ‚Wie Makrokosmos, so Mikrokosmos’, heißt eine alte esoterische Weisheit.“[5]

Das „Große Geheimnis“ der okkult-magischen Tradition ist, wie ich bereits ausgeführt habe, die „Göttlichkeit des Menschen“. Das „große Werk“ in der (weißen) Magie ist also, selbst Gott zu werden. Denn der „vollkommene“ Mensch kennt nicht nur alle Dinge, sondern beherrscht sie auch. In der Schwarzen Magie will der Mensch nicht nur „Satanas“ erschaffen, sondern selbst zum „Satanas“ werden, sich damit zum Herrn über Leben und Tod aufschwingen, die absolute Macht über das Universum zu erringen. Um jedoch die „Gott- oder Satansgleichheit“ zu erreichen müssen die verschiedensten Gegensätze miteinander verbunden, vereint, versöhnt werden. Diese Harmonie, dieses vollkommene Gleichgewicht zwischen den Gegensätzen, wird „Equilibrium“ genannt.

In seinem Buch „The Meaning of Masonry (Die Bedeutung der Freimaurerei)“ erklärt  W.L.Wilmhurst eindeutig: „Dies – die Entwicklung des Menschen zum Übermenschen – war immer der Zweck der uralten Mysterien. Der Mensch, der sich durch die unteren Bereiche der Natur zu seinem gegenwärtigen rationalen Dasein entwickelt hat, muß seine Evolution noch vollenden, indem er ein gottähnliches Wesen wird und sein Bewusstsein mit dem Allwissenden verbindet…“[6] Meint die Freimaurerei also damit, dass Menschen von einem „unbehauenen“ Stein zu einem „behauenen“ werden sollen, die „Selbstvergöttlichung“? Damit würden sie sich mit den Zielen des Neosatanismus treffen.

Liehner wird auch dazu deutlicher und bringt das „Große Geheimnis“, die „Göttlichkeit des Menschen“ in einen freimaurerisch-okkulten Bezug: „Das feierliche Zusammenfügen der beiden Symbole (Winkelmaß und Zirkel/d. Autor) bedeutet also letztlich die Vereinigung der Urpolarität, des Urpaares Oben und Unten, Himmel und Erde, des männlichen und weiblichen Prinzips, oder von Geist und Materie…In jeder rituellen Arbeit der Freimaurer wird diese Urzeugung wiederholt. Der ‚Hieros gamos’ findet statt, die heilige Hochzeit. Die freimaurerischen Tempelarbeiten begehen das, was Mysterien und Riten seit ältesten Zeiten begingen: sie wiederholen den Schöpfungsakt. Hierin liegt ihre tiefste und ergreifendste Bedeutung. Wer diesen Zusammenhängen zu folgen bereit ist, versteht auch, dass derjenige, der solcher Empfindungen fähig ist, das feierliche Zusammenfügen von Winkelmaß und Zirkel sogar als Unio mystica, als mystische Vereinigung der Seele mit Gott erleben kann, wie es die Mystiker verstanden.“[7]

Diese Worte des Zusammenfügens der freimaurerischen Symbole von Winkelmaß und Zirkels – die Magie der Werkzeuge reicht bis in die Steinzeit zurück – erinnern jedoch auch an einen weiteren „magischen Zweig“, der okkulten Sexualmagie, in der durch rituelle Vereinigung, die Aufhebung des Widerspruchs zwischen Mann und Frau angestrebt wird. Die entgegengesetzten weiblichen und männlichen Pole verschmelzen in der mystischen Verwandlung zu „Einem“ und heben so den Zustand des Widerspruchs in sich selbst auf. Die „Unio Mystica“, von der Liehner spricht, dieser mystischen Vereinigung mit Gott und dem All, findet sich nicht in der Johannismaurerei, dafür aber symbolisch in den Hochgradsystemen! Unter anderem in der „Agape“, dem sogenannten „Liebesmahl“, das in den Rosenkreuzergraden der Freimaurerei, vor allem im „A. und A. Schottischen Ritus“ erhalten geblieben ist.

Aber Liehner wird in seinen Ausführungen noch deutlicher: „Harmonisierung der Verhältnisse der Gegenpole sehen die Freimaurer als eine ihrer Aufgaben an…Man könnte als nächstes Ziel die Harmonisierung von Körper und Geist sowie von Ratio und Gemüt sehen, also die Voraussetzungen für einen ausgeglichenen, einen ganzheitlichen Menschen. Ein Weg dorthin ist die Harmonisierung der Gegenpole Esoterik und Exoterik…“[8]

Harmonie, Bundesschließung und Verbrüderung, das finden wir auch im Brauch der „Blutmischung“ einzelner freimaurerischen Systeme, wie beispielsweise dem Schwedischen. Diese „Blutmischung“ wird  nur symbolisch als Zeremonie vollzogen. Dennoch wird sie „da und dort in bestimmten Lehrarten der Freimaurerei noch gepflegt,“ gibt ein Logenbruder der „Vereinigten Großlogen von Deutschland“ zu. „Es handelt sich hierbei um eine symbolische Handlung, also keine tatsächliche Blutmischung, die bei der Aufnahme in den Bund vollzogen wird. Der Gedanke ist natürlich das Herstellen der Bruderschaft.“[9] Auch das „Internationale Freimaurer Lexikon“ geht nicht näher darauf ein. Dafür aber „Freimaurer-Bruder“ Merzdorff, der vom speziellen Ritus des „Bluttrankes“ spricht, diesen anprangert und bereits in der „Bauhütte“ von 1879 dazu schrieb: „Dieser Bluttrank, kein Weintrank, existiert wirklich. Das dem geritzten Daumen entströmende Blut (des Neophyten) wird in einen Becher mit Wein getröpfelt und dann von allen Umstehenden getrunken. Der etwa verbleibende Rest wird in einer Phiole aufbewahrt zum nächsten Gebrauch, so dass auf diese Weise das Blut aller früheren Templer sich mischt…In unseren Augen ist der Bluttrank ein kannibalistischer Akt, da er nur noch von den rohesten Völkern ausgeführt wird.“[10]

Sollte dies zutreffen, dann würde wohl mit diesem Ritus neben dem Brauch, eine Gemeinschaft zu bilden, auch dem magischen Gedanken gehuldigt, dass das Blut als Träger der Lebenskraft, der Seele schlechthin gilt. Wer Blut eines anderen Menschen trinkt, nimmt auch gleichzeitig die geistige und natürliche Kraft des anderen auf.


[1] vgl. „Magische Maurerei“ in: „internetloge, das Informationsportal zum Thema Freimaurerei“ verantwortlich: Franz-L. Bruhns, Altstuhlmeister der Freimauerloge „Am Rauhen Stein“ in Hamburg (http.//www.internetloge.de/etkt/magmau.htm/Zugriff: 20.07.07)

[2] vgl. E-Mail v. 04.07.07 von Dr. Michael Kraus (Großmeister der „Großloge von Österreich“) an den Autor/Archiv Grandt

[3] vgl. Dieter A. Binder: „Die Freimaurer – Ursprung, Rituale und Ziele einer diskreten Gesellschaft“, Freiburg i. Br. 1998, S. 23

[4] vgl. Alfried Lehner: „Die Esoterik der Freimaurer“, Gerabronn und Crailsheim 1997 (4. Auflage), S. 19, 20

[5] vgl. Alfried Lehner: „Die Esoterik der Freimaurer“, Gerabronn und Crailsheim 1997 (4. Auflage), S.20

[6] zitiert nach: A.Ralph Epperson: „Die unsichtbare Hand – Einfluß geheimer Mächte auf die Weltpolitik“, Rottenburg 2006, S. 355, 356

[7] vgl. Alfried Lehner: „Die Esoterik der Freimaurer“, Gerabronn und Crailsheim 1997 (4. Auflage), S.42

[8] vgl. Alfried Lehner: „Die Esoterik der Freimaurer“, Gerabronn und Crailsheim 1997 (4. Auflage), S. 43, 44

[9] vgl. „Fragen und Antworten/FAQ“ in: http://freimaurer.org/faq/links.htm(Zugriff: 14.06.08) der „Vereinigten Großlogen von Deutschland“

[10] zitiert nach: Karl-Heinz Zunneck: „Die geheimen Zeichen und Rituale der Freimaurer“, Rottenburg 2002, S. 164, 165

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