Im Frühjahr 2011 protestierte die enttäuschte, desillusionierte arabische Jugend gegen ihre alten Machthaber, entflammte ein Schrei nach Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie; erst in Tunesien, dann in Ägypten, riß eine ganze Region von Tunis, über Kairo, vom jeminitischen Sanaa über das libysche Benghazi bis ins syrische Deraa mit.

Diese Revolution erschütterte die Grundfesten der arabischen Weltordnung, wie wir sie kannten, denn die diktatorischen Dispoten wurden aus dem Amt gejagt oder gebombt: Zine el-Abidine Ben Ali in Tunesien, Muammar al-Gaddafi in Libyen und Husni Mubarak in Ägypten. Natürlich spielten bei diesen Revolution auch handfeste Interessen der westlichen und östlichen Welt mit, von den USA über die Europäische Union und Russland. Bekannt wurden die Aufstände als der „Arabische Frühling“ oder als „Arabellion“.

Doch – wie auf diesem Blog egelmäßig berichtet – wandelt sich der Sieg für Deomkratie, Freiheit und Gleichberechtigung vieler Orts genau ins Gegenteil, trotz Millionen Euro Unterstützung aus dem Ausland, vor allem auch aus Deutschland: radikale Islamisten erfahren in diesen Ländern einen furiosen Aufschwung, Menschenrechtsverletzungen, Antisemitismus und Christendiskriminierung nehmen sogar zu. Szenen, die beschrieben wurden, wie Frauen nun in Scharen ihre Kopftücher ablegen würden, gleichberechtigt in der Gesellschaft mit dem Mann seien, sind schnell korrigiert worden, weil die Radikalen immer mehr das Ruder in die Hand nehmen. Bestes Beispiel: Ägypten.

Jeder der hier die Meinung kundtut – so ist es in Mode gekommen – tut dies gleich „im Namen des Volkes“. Als Ex-Präsident Husni Mubarak nicht, wie von vielen erhofft, am Galgen endet, sondern „lediglich“ zu einer Haftstrafe verurteilt wird, ist der Unmut so groß, dass wieder Tausende auf den Tahir-Platz ziehen. Zudem werden sechs Assistenten des ehemaligen Mubarak-Innenminister Habib al-Adli freigesprochen, was für viele ein Zeichen dafür ist, dass das alte Unrechtsystem weiter besteht.

Nichts destotrotz: in der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl am 16./17. Juni 2012 ist nicht viel Gutes zu erwarten. In der ersten Runde kristallisierten sich zwei Spitzenkandidaten heraus, die nun um das höchste Amt des ägyptischen Staates kämpfen: Ahmed Schafik und Mohammed Mursi.

Schafik war letzter Regierungschef unter Diktator Mubarak – Mursi gehört der radikalen Muslimbruderschaft an.

Ungeachtet dessen, dass die erste Präsidentschaftswahl von einigen Kandidaten wegen Wahlfälschungen und Unregelmäßigkeiten angezweifelt wird, wird Ägypten in Zukunft von genau jenen Kräften bestimmt werden, die der so viel beschworene „Arabische Frühling“ für die westlichen Demokraten gerade nicht hervorbringen sollte: von der alten Mubarak-Seilschaft (Schafik) oder von einem radikalen Muslimbruder (Mursi). Damit wird der „Teufel“ im wahrsten Sinne des Wortes mit dem „Beelzebub“ ausgetrieben. Und ob der Militärrat, der nach dem Sturz des Diktators das Land regierte, dann tatsächlich seine Macht abgibt, darf ebenfalls noch bezweifelt werden.

Fakt ist: die alten Seilschaften verschwinden genauso wenig aus einem Land, einem Staat, wie sie nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches verschwunden sind: viele ehemalige Nationalsozialisten retteten sich plötzlich in demokratische Bekundungen und nahmen hochranginge Positionen in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Medizin ein. Das „Böse“ stirbt eben nicht so schnell, wie wir uns wünschen.

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