Der Riese Europa wankt, zumindest finanziell gesehen. Die Rettungsschirme für die maroden Mitgliedsländer wie Irland, Griechenland, Portugal und nun auch Spanien, verschlingen Unmengen Geld, vor allem aus Deutschland. Auch wenn die Politik nicht darüber spricht oder wenn doch, dann mit „falscher Zunge“, belasten die wachsenden Ausgaben natürlich auch den Bundeshaushalt. Das Ergebnis sind immer höhere Abgaben, Einsparungen und damit Mehrbelastungen für die einzelnen Bundesländer, Kommunen und Bürger.

Weil das Geld an allen Ecken fehlt, kommt so mancher auf völlig absurde Ideen. Wie beispielsweise das Rechnungsprüfungsamt des schwäbischen Albstadt im Zollernalbkreis: es will eine – nun gewiss zugespitzt formulierte – „wirtschaftliche Verwertung“ von Toten! Konkret geht es um das Zahngold, das nach dem Kreamtieren zurückbleibt und nun verkauft werden soll damit der Verkaufserlös Löcher in der Stadtkasse stopfen kann. Subjektiv werden Assoziationen wach; SS-Schergen, die toten Juden die Goldzähne ausreissen…

Lesen Sie weiter im regionalen „Schwarzwälder Boten“, der als erster den Skandal thematisiert hat:

MUSS DAS ZAHNGOLD IN DIE URNE?

 

Wem gehört das Zahngold, das bei Kremierungen anfällt? Der Stadt, meint zumindest das Rechnungsprüfungsamt in Albstadt (Zollernalbkreis) und hat mit seinem Plan, mit dem Verkaufserlös Löcher im Stadtsäckel zu stopfen, inzwischen bundesweit für Furore gesorgt.

Die Stiftung Funus aus Halle an der Saale ist »geradezu entsetzt« über die Idee, wie Funus-Vorsitzender Frank Pasic betont. Der Mitteldeutsche Feuerbestattungsverein Funus war durch einen Zeitungsbericht auf die immer häufiger angewandte Praxis der Städte aufmerksam geworden, das Zahngold zu verkaufen, obwohl es eigentlich den Angehörigen des Verstorbenen gehört.

Für die Krematorien im Land wird es angesichts des hohen Goldpreises immer lukrativer, das Zahngold der Verstorbenen zu verwerten. Indem Zahnfüllungen aus der Asche heraussortiert und verkauft werden, erzielen einige jedes Jahr hohe fünfstellige Beträge. Meist wird das Geld teilweise für karitative Zwecke gespendet, teilweise aber auch eingesetzt, um die Einäscherungen billiger anbieten zu können. Das Albstädter Rechnungsprüfungsamt steht mit seiner Empfehlung, mit den Einnahmen die städtischen Finanzen aufzubessern, allerdings noch recht allein da. Einen einheitlichen Umgang mit den wertvollen Überresten eingeäscherter Menschen gibt es nicht. Anders sieht es bei metallischen Gegenständen wie Hüftgelenken oder Sargbeschlägen aus, die allein wegen ihrer Größe gar nicht in der Urne bestattet werden können. Sie werden fast überall nach der Einäscherung an Wertstoffhändler verkauft.

»Zahngold wird bei uns schon seit einigen Jahren separiert«, sagte der Leiter Technische Betriebsdienste in Reutlingen, Hans Fröb. »Seit der Goldpreis nach oben gegangen ist, macht das bei uns einige zehntausend Euro pro Jahr aus.« Das Geld fließe in den Haushalt des städtischen Krematoriums und solle die Kosten für die Einäscherungen niedrig halten. »Wir gehen mit dem Thema offen um«, sagte Fröb. »Bei Führungen in unserem Krematorium weisen wir darauf hin. Es ist uns sehr wichtig, die Pietät dabei nicht aus den Augen zu verlieren.« Bislang hätten Angehörige das Vorgehen immer akzeptiert.
»Bei uns verlässt nichts den Friedhof«

Auch in Karlsruhe werden die Materialien »separiert und verwertet«, wie eine Stadtsprecherin sagte. Die Angehörigen würden zuvor gefragt und müssten der Verwertung in Form einer entsprechenden Vereinbarung zustimmen. Die Erlöse von durchschnittlich rund 90 000 Euro pro Jahr kommen sozialen Zwecken zugute. Zum Beispiel würden verwahrloste Gräber gepflegt oder die Trauerbegleitung unterstützt.

Ein Edelmetallabscheider sortiert im Krematorium in Ludwigsburg das Zahngold aus der Asche. »Die Erlöse daraus schwanken in Abhängigkeit des Goldpreises sehr stark. Bei den hohen Goldpreisen in den letzten Jahren konnten Erlöse zwischen 30 000 und 40 000 Euro pro Jahr erzielt werden«, sagte eine Stadtsprecherin. Die Hinterbliebenen müssten dem zustimmen – sonst werde das Zahngold in der Urne mit beigesetzt. »Die Erlöse aus der Verwertung fließen vollständig an gemeinnützige Einrichtungen.« Unter anderem ein Hospizdienst, die Trauerbegleitung und die Bürgerstiftung profitierten davon.

„Es verlässt nichts den Friedhof“

In Heidelberg hingegen hat sich die Stadt bislang gegen eine Verwertung von Überrasten bei der Einäscherung entschieden. »Wir haben das thematisiert. Mit dem Ergebnis, dass wir keine Verwertung machen«, sagte Wolfgang Becker, Technischer Leiter des Bergfriedhofs Heidelberg. Goldzähne werden in der Urne begraben; künstliche Gelenke werden unabhängig davon vergraben: »Es verlässt nichts den Friedhof.« Ähnlich sieht es in Mannheim aus. »Es wird alles beigesetzt. Solange es keine Rechtssicherheit gibt, halte ich unser Vorgehen für richtig«, sagte Bernhard Helbling, Technischer Leiter der Friedhöfe.

Auch das privat betriebene Krematorium in Aalen (Ostalbkreis) hält nichts davon, das Gold aus der Asche zu holen. »Es kommt nichts aus dem Sarg raus und auch nichts hinein«, lautete dort die klare Meinung von Bastian Schenk. »Zum einen ist die Frage nicht geklärt, wem das gehört, und zum anderen kommt man da schnell in ein schlechtes Licht.« Sargbeschläge und metallische Implantate würden hingegen von einer zertifizierten Firma abgeholt. »Wir sind froh, dass uns das jemand abnimmt, dem wir vertrauen«, sagte Schenk.

In Leinfelden-Echterdingen (Kreis Esslingen) hat sich die Stadt ebenfalls entschieden, lediglich Metalle wie Sargbeschläge oder Hüftgelenke aus der Asche auszusortieren. Zahngold komme in der Regel in die Urne – es sei denn, die Hinterbliebenen hätten einen anderen Wunsch, sagte ein Stadtsprecher. Im Städtischen Krematorium in Heilbronn werden Goldzähne im Moment zwar noch in der Urne mit bestattet. Aber mittelfristig müsse die Ascheaufbereitungsanlage ohnehin ersetzt werden, sagte Martin Heier von der Abteilung Friedhöfe. »Dann wird sich auch die Frage der Verwertung neu entschieden werden.«

In Albstadt, wo das Thema gerade politisch aktuell ist, will die Verwaltung dem Gemeinderat bis zum Sommer eine Beschlussempfehlung vorlegen. Ob die Stadtverwaltung dem Vorschlag des Rechnungsprüfungsamts für eine intensive Verwertung folgt, sei noch völlig offen, sagte Baubürgermeister Udo Hollauer. »Die Frage ist, ob das überhaupt machbar ist und welche Kosten es verursachen würde. Und dann ist es natürlich auch eine Frage der Pietät.«

Quelle:

http://www.schwarzwaelder-bote.de/inhalt.albstadt-muss-das-zahngold-mit-in-die-urne.24713766-dff4-4f14-aaa6-8eb85b9ba78c.html

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