Zusammen mit Schweizer Journalisten arbeiteten mein Kollege Udo Schulze und ich an neuen Enthüllungen im Fall Natascha Kampusch.

Veröffentlicht wurde diese mehrteilige Serie im Schweizer Nachrichtenportal ”20 Minuten”.  Teilweise habe ich hier auf diesem Blog unter der Kategorie „Natascha Kampusch“ erstmals exklusiv neue Recherchen dazu gepostet.

Nachdem der Unterausschuss der Causa Kampusch monatelang getagt hat ist es nun endlich heraus: im Fall Natascha Kampusch haben die Ermittler geschlampt und vertuscht! Es wird empfohlen den Fall neu zu untersuchen, evtl. von externen Experten des FBI und/oder BKA. Die von uns recherchierten Pannen hielt wohl auch der Untersuchungsausschuss für unhaltbar.

Lesen Sie dazu nachfolgend bei den Kollegen von „20 Min.“:

Fall Kampusch

29. Juni 2012

«Staatsanwälte und Polizei haben versagt»

von K. Leuthold/F. Burch – Zu viele Hinweise wurden ignoriert, zu viele Fragen blieben offen: Ein Ausschuss rollt den Fall Kampusch neu auf. Im Bericht kommen Ermittler und Staatsanwälte schlecht weg.

Jetzt also doch noch: Im Fall Kampusch hat der Unterausschuss für Innere Angelegenheiten einen Entscheid getroffen. Sechs Jahre nach der Flucht des Entführungsopfers Natascha Kampusch empfiehlt der Ausschuss, die Causa erneut zu untersuchen. Dazu sollen Cold-Case-Spezialisten des FBI oder Experten des Bundeskriminalamts aus Deutschland (BKA) beigezogen werden. Die Begründung für ein Wiederaufrollen ist im mehrseitigen Bericht, der an das Bundesministerium für Innere Angelegenheiten und das Bundesministerium für Justiz geht, aufgeführt:

1. Die Ermittler von Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei sind ihrer Aufgabe nicht mit der nötigen Sorgfalt und Professionalität nachgegangen.

2. Den wesentlichen Fragen, die sich im Lauf der Ermittlungen ergeben haben, ist man nicht ausreichend nachgegangen.

Klare Worte im Bericht

Im Bericht wird klar und deutlich von «offensichtlichen Ermittlungsfehlern» und einer «bedenklichen Vernachlässigung von Erkenntnissen» gesprochen. Dazu gehört etwa, dass den Aussagen der Augenzeugin Ischtar A., die stets sagte, am Entführungsort zwei Männer gesehen zu haben, wenig Beachtung geschenkt wurde. Man will nun überprüfen, ob Beamte Ischtar A. im Jahr 2009 unter Druck gesetzt hatten. Die Aussagen von Ischtar A. sind deshalb so zentral, weil die Frage nach allfälligen Mittätern oder Mitwissern nebst Wolfgang Priklopil weiter ungeklärt bleibt.

Ein weiterer «schwerer Ermittlungsfehler» gemäss dem Ausschuss: Der Hinweis eines Polizeihundeführers, der Wolfgang Priklopil als Entführer nahelegte, wurde nicht beachtet. Wäre man diesem und einem weiteren Hinweis aus Priklopils Nachbarschaft nachgegangen, hätte Kampusch möglicherweise viel früher befreit werden können, so der Ausschuss.

Viele offene Fragen

Es folgt eine Aufzählung von unzähligen Widersprüchen und unterlassenen Ermittlungen, die jetzt endlich untersucht werden sollen. «Warum fuhr Wolfgang Priklopil in ein Waldstück, telefonierte dort und stellte fest, dass Natascha Kampusch nicht abgeholt würde? Warum erfolgte die Entführung am 2. März 1998, obwohl das sogenannte Verlies zu diesem Zeitpunkt nicht fertiggestellt war? In welchem Zusammenhang stehen Geldüberweisungen an und von Wolfgang Priklopil über ein Konto seiner Mutter unmittelbar vor und nach der Entführung?» – diese Fragen stellte der Abgeordnete Werner Amon an einer vom Parlament einberufenen Pressekonferenz.

Mehr als einmal erwähnt der Ausschuss in seinem Bericht auch Ernst H., Priklopils besten Freund, der eine dubiose Rolle im Fall Kampusch spielte und auch schon als Mittäter verdächtigt wurde. Für Ernst H. gilt die Unschuldsvermutung. Er könnte nun aber in den Fokus der Justiz geraten.

Klares Zeichen gesetzt

Nebst den neuerlichen Ermittlungen im Fall Kampusch sollen in Zukunft die mächtigen Staatsanwälte, die in der Causa unter anderem des Amtsmissbrauchs beschuldigt wurden (das Verfahren wurde eingestellt) besser kontrolliert werden. Der Kampusch-Ausschuss argumentiert: Die Staatsanwaltschaft habe im Entführungsfall miserabel gearbeitet und sei womöglich von aussen beeinflusst worden. Deshalb sei eine bessere Kontrolle angebracht.

Peter Pilz, Abgeordneter der Grünen, sagt: «Die Staatsanwaltschaft und die Kriminalpolizei haben komplett versagt.»

FBI und BKA helfen

Zunächst sollen nun FBI und BKA die 14 Jahre zurückliegende Entführung von Kampusch untersuchen. Laut der seriösen österreichischen Zeitung «Der Standard» gilt es als sicher, dass die externen Cold-Case-Ermittler beigezogen werden. Und weiter schreibt das Blatt: «Es kann nichts schaden, wenn sich Profis von aussen den Fall ansehen, solange es so massive Zweifel gibt, dass Wolfgang Priklopil ein Einzeltäter war. Man kann nicht ausschliessen, dass Mitwisser dem Opfer selbst nicht bekannt waren.» Das habe nichts mit Verschwörungstheorien zu tun.

20 Minuten Online veröffentlichte Anfang Jahr eine Serie zum Fall Kampusch und publizierte bisher unveröffentlichtes Material. Es wurden Widersprüche, Fehler und Vertuschungen aufgezeigt. Pannen, die offenbar auch der Untersuchungsausschuss für unhaltbar hielt.

Quelle: http://www.20min.ch/ausland/news/story/19336031

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