Seit dem Amoklauf in Aurora wird auch in den USA über das liberale Waffenrecht diskutiert.

Vor allem aber europäische Medien und Politiker, allen voran wieder einmal die Deutschen, verurteilen das US-amerikanische Recht, wonach jeder Bürger grundsätzlich Pistolen, Gewehre und Munition besitzen und tragen darf. In 44 von 50 Bundesstaaten ist dies ausdrücklich in den Landesverfassungen so geregelt.

Doch gerade hierzulande wird in Hinblick auf die Amokläufe in Erfurt und Winnenden dieses US-Verfassungsrecht geradezu „dämonisiert“. Politiker aller Parteien schwärmen aus um über die bösen „Cowboys“ über dem großen Teich zu schwadronieren beziehungsweise sie vorzuverurteilen, denn ohne Waffen keine Amokläufe. Das klingt logisch, ist aber falsch!

Alleine in Deutschland gibt es zirka zehn Millionen legale, registrierte und rund zwanzig bis dreißig Millionen illegale, also „unregistrierte“ Waffen. Will sich also jemand auch „illegal“ bewaffnen kann er dies trotz verschärftem Waffenrecht relativ leicht. Das wissen auch die staatlichen Behörden, deshalb haben sie verschiedene Maßnahmen eingeleitet, um die Bevölkerung nicht nur zwangsweise zu kontrollieren, sondern auch privat zu „entwaffnen“.

Zudem wird verschwiegen, dass Waffen in den Händen der „Guten“, der mutmaßlichen Opfer also, die „Bösen“, die Kriminellen, abschrecken. Dass es einen „Abschreckungseffekt durch privaten Waffenbesitz“ gibt, ist kein Geheimnis. Zumindest in anderen Ländern nicht. So erklärt der US-amerikanische Waffenrechtler John Lott, solange eine begründete Unsicherheit über eine Bewaffnung der Opfer herrsche, wie beispielsweise in amerikanischen Gegenden mit liberalem Waffenrecht, hielten sich Kriminelle grundsätzlich eher zurück als dort, wo sie sich über die „zivile Entwaffnung“ sicher sein könnten“. Beispiel Washington D.C.: hier war der private Besitz von Schusswaffen dreißig Jahre lang verboten, doch führte dies keineswegs zu einem Rückgang der Mordrate, sondern zu deren Anstieg.

Ein anderes Beispiel: Das Jahr 1982 macht die US-Gemeinde von Kennesaw im US-Bundesstaat Georgia weltberühmt: ein Erlass verpflichtet jeden Bürger dazu eine Waffe zu besitzen. So heißt es im örtlichen Gsetzbuch, dass „mit dem Ziel, die Sicherheit und allgemeine Wohlfahrt der Stadt und ihrer Einwohner aufrecht zu erhalten, jeder Vorstand eines Haushaltes (…) eine Schusswaffe besitzen muss.“

Ein in den Augen unserer Regierung wohl ungeheurer Vorgang, der hierzulande wohl niemals zustande kommen wird. Dabei legt der Erlass von Kennesaw lediglich die amerikanische Verfassung aus!

Kritische Stimmen reden (über)schnell von einem „Revolver-Erlass“ und von der „Gun Town“. Doch die Fakten sprechen gegen sie. So liegt die Verbrechensrate in Kennesaw etwa zwei Prozent unter dem amerikanischen Durchschnitt.  Genauer: in den absoluten Zahlen ist in den letzten  fünfundzwanzig Jahren die Kriminalität in Kennesaw kaum angestiegen und das, obwohl die Einwohnerzahl von 5000 (1982) auf mehr als 30.000 angewachsen ist! Diese niedrige Verbrechensrate lockt vor allem Familien und Unternehmer in die beschauliche Gemeinde, in der jüngst eine State University geöffnet wurde. Immobilienmakler nutzen die niedrige Kriminalitätsrate sogar als Verkaufsargument.

Die Verbrechensabschreckung mit der „zwangsverpflichteten“ Bevölkerung zur Bewaffnung (!) funktioniert also! Bürger in der Stadt meinen, sie wollen nicht länger Opfer von Gewaltkriminalität sein. Zudem würden nicht die Waffen Menschen töten, sondern die Menschen seien es, die töten!

Das Beispiel der kleinen US-Gemeinde zeigt deutlich, die Forderungen aus Politik und Medien hierzulande sind nichts weiter als Augenwischerei. Und wie wir letztlich angelogen werden.

Ein weiteres Beispiel: Auf der Homepage des „Aktionsbündnis Amoklauf Winnenden“ steht folgender Artikel, der auch von der Politik gern angeführt wird: „Vorbild England – Entwaffnung ist möglich.1996 erschoss ein Amokläufer im schottischen Dunblane sechzehn Erstklässler und ihre Lehrerin. Daraufhin verbot die britische Regierung private Schusswaffen und ließ Millionen davon gegen Entschädigung einziehen – trotz des gewaltigen Protests von Schützenvereinen und Waffenlobby. Beherzte Bürger und die Zeitung ‚Sunday Mail’ hatten mehr als eine Million Unterschriften für das sofortige Verbot von privaten Waffenbesitz gesammelt… Ann Pearson, eine Freundin mehrerer Opfer-Familien, startet nach dem Massaker eine Initiative, die später als ‚Snowdrop-Kampagne’ bekannt wird. Sie fordert das sofortige Verbot von privatem Waffenbesitz. 750.000 Menschen unterzeichnen den Aufruf binnen vier Monaten. Als die Gruppe um Ann Pearson ihren Appell samt Unterschriften im Juli überreicht, ist das bereits die zweite Petition. Die Zeitung Sunday Mail hatte schon 400.000 Unterschriften für ein Verbot von privatem Waffenbesitz gesammelt. Die Snowdrop-Gruppe berät sich außerdem mit dem Chef der Labout-Partei, Tony Blair, Prinzessin Diana u. a. Die konservative Regierung reagiert und verbietet im Firearms (Amendment) Act 1997 den Kauf und Besitz großkalibriger Schusswaffen für Privatpersonen – trotz des gewaltigen Protests von Schützenvereinen und der Waffenlobby. Nach dem Regierungswechsel im Mai 1997 verabschiedet die Labour-Regierung den Firearms (Amendment) (No. 2) Act 1997: Auch alle kleinkalibrigen Feuerwaffen sind fortan für Privatpersonen verboten… Verbunden mit der Verabschiedung des Gesetzes war eine Amnestie bei freiwilliger Übergabe. 160.000 Waffen wurden abgegeben. 2003 wurde nach dem Mord an zwei jungen Frauen mit einer Handfeuerwaffe die Amnestie für freiwillige Abgabe erneuert, woraufhin noch einmal 40.000 Waffen überreicht wurden. Bis 2006 sollten alle Waffenbesitzer in einer zentralen Datei erfasst sein.“

Dieser Sachverhalt suggeriert dem Betrachter, eine „entwaffnete“ Bevölkerung würde zu mehr Sicherheit und zu weniger Gewaltkriminalität führen. Doch das Gegenteil ist der Fall.

Statt einen Rückgang der Kriminalität zu verzeichnen, „explodierte“ die Anzahl der Gewaltverbrechen geradezu! Dazu ein Kritiker: „Nach der Kriminalstatistik des British Home Office zählte man 1995, zwei Jahre vor der Gesetzesverschärfung noch 36 Fälle von Gewaltkriminalität pro 100.000 Einwohner in England und Wales. 1999, zwei Jahre nach dem Bewaffnungsverbot für die potentiellen Opfer, wurden 51 Fälle pro 100.000 Einwohner gezählt. Ein Anstieg um 42 Prozent!“

Helmut Thome, vom Institut für Soziologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg“ führt bei einem Vortrag zur Tagung „Gewalt begegnen“ in der Evangelischen Akademie Tutzing im Oktober 2009 ebenfalls an, dass die vollendeten Tötungsdelikte in England und Wales von 1953 bis 2004 „ziemlich kontinuierlich“ angestiegen sind.

Eine „Privatentwaffnung“ hat also keineswegs für mehr Sicherheit und weniger Kriminalität geführt, sondern zu mehr Gewaltverbrechen! Kriminelle werden demnach nicht mehr abgeschreckt, sondern sehen sich unbewaffneten und damit wehrlosen Opfern entgegen.

Bleiben wir in den USA: die Diskussion dort rankt sich um einen wichtigen Aspekt, der hierzulande komplett ausgeblendet wird: Das liberale US-Waffenrecht geht auf den Zweiten Verfassungszusatz, der sogenannten „Bill of Rights“ 1791 zurück. Die „Bewaffnung“ der Bevölkerung sollte vor allem eines garantieren: dass sich die Bürger notfalls auch gewaltsam gegen ihre Regierung zur Wehr setzen können, wenn diese sich nicht mehr an die Verfassung gebunden fühlt.

Auf einmal wird das „Cowboy-Waffenrecht“, wie es vor allem deutsche Kritiker formulieren, so zu einer wichtigen verfassungsrechtlich abgesicherten Tragsäule der Demokratie! Zu einer – im wahrsten Sinne des Wortes – „Waffe“ gegen eine undemokratische Regierung! Das verteufelte liberale Waffenrecht ist somit etwas ganz anderes: ein in der Verfassung festgeschriebenes Freiheitsrecht, damit sich der Bürger im Ernstfall gegen die Regierung zur Wehr setzen kann! Und ein solches Freiheitsrecht darf von der Politik weder abgeschafft noch ausgehöhlt werden. Es ist also ein fundamentales Recht, ein Grundrecht der Amerikaner auf Freiheit, das auch durch Massaker wie in Aurora nicht beschnitten werden darf! Das wissen auch US-Präsident Barack Obama und sein Konkurrent Mitt Romney.

Ohnehin hinkt die Argumentation der Kritiker der Realität hinterher, die von jährlich mehreren tausend Morden sprechen, die mit Schusswaffen verübt werden. „Auch im Straßenverkehr kommen jährlich Tausende Amerikaner ums Leben, und der Konsum von Alkohol und Tabak fordert noch deutlich mehr Opfer“ (FTD v. 08.08.12).

Dass in Deutschland dies alles abgelehnt wird, liegt auf der Hand: gerade in Zeiten der sich verschärfenden Eurokrise, der zu erwartenden sozialen Unruhen werden Merkel & Co. und auch jene Regierung, die nach der Bundestagswahl 2013 zusammentritt, den „Teufel tun“, dem Volk davon zu erzählen, welch hohes Rechtsgut der Besitz von Waffen (in den USA) tatsächlich ist. Nein, hierzulande will man aus Angst vor dem sozialen Absturz die Bevölkerung entwaffnen. Das ist der große Unterschied!

Für die Amerikaner ist die „Waffe im eigenen Haus ihr letzter, handfester Beweis für ihre Freiheit. Die Constitution von 1791 ist ihre Verfassung, und Amerika ist ihr Land“ (FTD v. 08.08.12).

Eine Freiheit, ein Grundrecht, das es für die deutschen Bürger nicht gibt. Hier will keiner dass sich die Bevölkerung im Ernstfall (mit Waffen) gegen die Regierung erhebt. Hier wird das Thema völlig falsch dargestellt und gelogen, dass sich die Balken biegen, eine regelrechte „Waffenhysterie“ ausgelöst.

So unterschiedlich sind die Auffassungen von Demokratie. Fragt sich nur, welche die bessere ist!

Quellen:

Financial Times Deutschland v. 08.08.12

Guido Grandt: „11.3. Der Amoklauf von Winnenden – Hintergründe, Widersprüche und Vertuschungen“, Berlin 2010, S. 228ff.

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