NRWZ v. 25.08.12:

„Der Zusammenbruch war nicht mehr abzuwenden. Doch gerade in seinen letzten Monaten hat das „Dritte Reich“ noch einmal mit perfider Effizienz Kräfte mobilisiert und dabei zahllosen Menschen das Leben gekostet. Zu ihnen zählen rund 3.500 KZ-Häftlinge, die bei dem Versuch umkamen, entlang der Bahnlinie Rottweil-Tübingen aus Ölschiefer Treibstoff zu gewinnen. Ein Dokumentarfilm erinnert nun an sie.

An die 150.000 Tonnen Öl versprach sich das Regime, das für die Kriegsmaschinerie dringend Treibstoff brauchte, pro Jahr von dem Projekt. Ein utopisches Ziel, der Ertrag war enttäuschend. Im Tagebau sollte der Ölschiefer der  Schwäbischen Alb gebrochen, gemahlen, im freien Gelände zu Meilern geschichtet, verschwelt und so das Öl aus dem Gestein heraus getrieben werden.

Dafür wurden unter dem Decknamen „Wüste“ ab September 1944 zwischen Dußlingen-Nehren und dem zwischen Schörzingen und Zepfenhan gelegenen Eckerwald sieben Lager und zehn Anlagen zur Ölgewinnung errichtet oder in das „Wüste“-Projekt eingegliedert. Insgesamt rund 13.000 Häftlinge im Alter von 13 bis 60 Jahren vorwiegend aus dem elsässischen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof wurden für die Schiefer-Ölgewinnung auf die Schwäbische Alb deportiert. Fast ohne Werkzeuge wurden sie mit rücksichtsloser Brutalität gezwungen, die Steine zu brechen. Hinzu kamen Hunger, katastrophale hygienische Bedingungen und drakonische, teils geradezu sadistische Bestrafungen.

In den wenigen Monaten bis Kriegsende starben in den „Wüste“-Einrichtungen etwa 3.500 Menschen – durch Arbeits- und Witterungsbedingungen, Krankheiten, Strafmaßnahmen und Willkürmorde. Alfred Korn, ein polnischer KZ-Häftling wird in der Dokumentation zitiert, zwar seinen Schörzingen und Bisingen im Vergleich zu Auschwitz „nur Miniaturlager“ gewesen. „Aber auch dort lebten wir jede Minute in Todesangst“. Besonders das Werk Dautmergen wurde von Überlebenden als „Knochenmühle“ und wahre Hölle beschrieben.

Dem Mythos, dass die Einheimischen von alldem nichts wussten, stellt der Film Zeitzeugen gegenüber. So schildert ein damals knapp Zehnjähriger, in Schörzingen seien die Häftlinge jeden Morgen in Sechserreihen durch den Ort in Richtung Eckerwald marschiert, begleitet von SSAufsehern mit Hunden. Wenn der Tross abends zurückkam, hätten die Männer meist drei oder vier Tote getragen.

Die unter anderem durch die Landkreise Rottweil und Zollernalb geförderte und bereits an viele Schulen verteilte Dokumentation wurde von dem Balinger Filmproduzenten Guido Grandt konzipiert.

Grandt schlägt einen sachlichen Ton an und verzichtet weitgehend auf die bei diesen Themen oft betriebene Emotionalisierung. Das Unternehmen „Wüste“ bettet er solide in den Kontext der Ausbeutungs- und Vernichtungspolitik ein und setzt vor allem auf originale Bild- und Tonquellen sowie Gespräche mit Zeitzeugen.

Das stellt die Auseinandersetzung mit diesem bitteren Kapitel Heimatgeschichte auf ein seriöses Fundament und ermöglicht es dem Betrachter, sich selbst ein Urteil zu bilden. Es braucht gar kein reflexhaftes Moralisieren. Die niederschmetternden Fakten sprechen für sich.“

 

Info: Die Dokumentation „Hinter dem Dorf die Hölle. Die vergessenen Konzentrationslager

auf der Schwäbischen Alb“ ist zum Preis von 12,95 Euro (zzgl. Porto und Verpackung)

zu beziehen unter: Gugra-Media, Friedrichstr. 4, 72336 Balingen. guido.grandt@wirsind.tv

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