Die von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebene neue Studie „Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012“ sorgt für Wirbel (siehe Tagesmedien). Doch ein Punkt, der in dieser Studie auftaucht, fällt fast gänzlich unter den Tisch:

3. Zustimmung zur Demokratie

Ich zitiere aus der Studie zunächst das „Positive“ dazu:

„Gleichzeitig ist die grundsätzliche Zustimmung zur Demokratie als Staatsform erfreulich hoch Gesamtdeutschland 94,9 %) und in Ost wie West gegenüber 2010 auch noch gestiegen.

Diese Ergebnisse können allerdings nicht wirklich beruhigen, denn das Bild trübt sich ein, fragt man nach der Zufriedenheit mit der Demokratie in der Bundesrepublik, wie sie tatsächlich funktioniert (hier liegt der Wert für Gesamtdeutschland bei 50,6 %). Außerdem wird von den Bundesbürgern Demokratie selten aktiv praktiziert. Die Deutschen nehmen zwar mit 67,6 % Wahlen als die zentrale Form der politischen Partizipation wahr, 42,3 % der Befragten haben sich schon an Unterschriftenaktionen beteiligt und knapp 20 % an genehmigten Demonstrationen teilgenommen. Dagegen können sich nur 14,5 % vorstellen, aktiv in einer politischen Partei mitzuarbeiten. Schon getan haben dies sogar nur 10,5 %.“

Jetzt kommt das Entscheidende und Wichtige (Hervorhebung im Text durch mich):

Ferner hängt die Zustimmung zur Demokratie eng mit der Einschätzung der wirtschaftlichen Entwicklung zusammen: Der Anteil derjenigen, die die eigene wirtschaftliche Lage positiv sehen, nimmt seit 2006 in Ost- und Westdeutschland kontinuierlich zu. Bundesweit sehen sich 51% gut bis sehr gut gestellt, während es 2006 nur 38,5 % waren. Und 66,7 % der Bevölkerung rechnen auch nicht mit einer Veränderung binnen Jahresfrist. So ist es weniger die individuelle wirtschaftliche Deprivation, sondern stärker die negative Einschätzung der wirtschaftlichen Lage in Deutschland insgesamt, die mit rechtsextremen Einstellungen zusammenfällt.

Quelle:

Oliver Decker, Johannes Kiess, Elmar Brähler et al.

Die Mitte im Umbruch. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2012

Herausgegeben für die Friedrich-Ebert-Stiftung von Ralf Melzer

Verlag J.H.W. Dietz Nachf., Bonn 2012.

Konkret heißt dies: Je wirtschaftlicher schlechter es den Menschen geht, um so mehr sinkt ihre Zustimmung (positives Verhältnis zur Demokratie) und desto mehr anfällig werden sie betreffs rechtsextremen Einstellungen.

Dies sehen wir beispielsweise auch im EU-Krisenland Griechenland:

Nahezu 500 rassistisch motivierte Angriffe wurden alleine in der ersten Hälfte 2012 geschätzt. Eine brandgefährliche Entwicklung, die den Extremisten und Rechtsradikalen in die Hände spielt. Zum Beispiel denen der Partei »Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte)«, die im Parlament sogar mit einem abgeänderten Hitlergruß auftreten: Um angeblich die Wirtschaftskrise zu beheben, machten ihre Mitglieder und Anhänger in der Stadt Mesolongi im Herbst 2012 »Jagd« auf Afrikaner und Asiaten. Dabei zerstörten sie Verkaufsstände von denen, die keine Genehmigung hatten. Die UNO-Menschenrechtskommission kam zu dem Schluß, dass die griechische Polizei nicht in der Lage gewesen sei, die Opfer fremdenfeindlicher Gewalt »wirksam zu schützen«.[1] Kommunisten und Sozialisten forderten die Regierung auf, Maßnahmen zu ergreifen, um die »faschistischen Zwischenfälle« zu beenden. Selbst Premier Samaras, deren Urgroßmutter, die Schriftstellerin Penelope Delta, sich einst beim Einmarsch der Nazis in Athen das Leben nahm, zeigte sich bestürzt:  »Die Gesellschaft als Ganzes ist bedroht durch die Populisten der extremen Linken und durch etwas, das es in unserem Land noch nie zuvor gegeben hat: den Aufstieg einer rechtsextremistischen, man könnte auch sagen faschistischen, Neonazi-Partei.«[2] Nach einer damaligen Umfrage haben die Rechtsextremisten, die eine aggressiv ausländerfeindliche Politik verfolgen, erstmals die Zehn-Prozent-Marke übersprungen, katapultieren sich von 6,9 Prozent auf stattliche 12 Prozent und wären noch vor den Sozialdemokraten die drittstärkste Partei im Parlament. Schuld an dieser Radikalisierung, so Experten, seien die schwere Wirtschaftskrise, die hohe Arbeitslosigkeit und die Migrantenwelle aus Asien und Afrika. Griechenland macht also angesichts der Krise einen Rechtsruck. Das ist mehr als erschreckend, vor allem für uns Deutsche. Sind wir doch durch unsere jüngste Vergangenheit vorbelastet. Auch die Weimarer Republik schaffte es angesichts der Weltwirtschaftskrise nicht, den massiven Sozialabbau zu verhindern und öffnete damit das Tor für die Nationalsozialisten, die einige Jahre später die Welt in den furchtbarsten Krieg der Menschheit stürzten.


[1] vgl. »Faschisten im Visier von Hellas‘ Justiz« in: Financial Times Deutschland v 20.09.12

[2] vgl. »Antonis Samaras: ‚Wenn wir scheitern, wartet das Chaos’« in: Handelsblatt v. 05.-07.10.12

 

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