Hiesige Politiker aller Parteien, allen voran Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, werden hinsichtlich der „Flüchtlingsdiskussion“ nicht müde zu betonen, dass hierzulande schon einmal eine Masse von Flüchtlingen aufgenommen worden sei.
Gemeint damit sind jene rund 14 bis 20 Millionen Vertriebene aus den Ostgebieten nach Ende des Zweiten Weltkriegs.
Doch war das tatsächlich so? Schlug den Vertriebenen wirklich eine Welle von Solidarität und Hilfsbereitschaft der „einheimischen“ Deutschen – den sogenannten „Reichsdeutschen“ – entgegen, wie es uns heute angesichts der Debatte um die Flüchtlinge überwiegend aus dem Nahen Osten und Afrika verkauft wird?
Haben die deutschen Vertriebenen ebenfalls eine solche „Willkommenskultur“ erfahren, mit der Politiker hierzulande so werben?
Eine „Willkommenskultur“, die anscheinend so ins bundesdeutsche Kollektiv-Bewusstsein eingefroren ist, das wir sie nie mehr vergessen sollten.
Ich bin diesen Behauptungen nachgegangen, habe Bücher und Archive gewälzt, mit Vertriebenen gesprochen. Und bin zu einem ganz anderen Ergebnis gekommen!
Harte Fakten räumen wahrlich auch mit dem Mythos und der Geschichtsverklitterung der „Willkommenskultur“ der „Einheimischen“ bezüglich der vertriebenen deutschen Flüchtlinge auf, die nicht einmal ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen konnten, weil dieser von den Alliierten festgelegt wurde.
Alles war anders. Ganz anders.
Geradezu beschämend.
Zunächst sei an dieser Stelle festgehalten: Tausende Vertriebene, die nach ihrer Flucht endlich im Westen ankamen, starben bereits nach ihrer Ankunft, denn sie fanden weder ein Dach über dem Kopf, erhielten weder medizinische Hilfe noch ausreichende Nahrung.
(Quelle: Keith Lowe: „Der wilde Kontinent – Europa in den Jahren der Anarchie 1943-1950“, Stuttgart 2014, S. 14, 41, 302).
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Alleine schon dieser Sachverhalt unterscheidet sich frappierend von dem der heutigen Zustände!
Deutschland verfiel in zwei Schicksalsgemeinschaften, wie der Migrationsforscher Kaus J. Bade beschrieb: In die Einheimischen und in die Vertriebenen, die zueinander in einer „Opferkonkurrenz“ standen. „Dieser Konkurrenzkampf trug ‚deutliche Züge eines Nationalitätenkampfes und eines Klassengegensatzes.‘“
Tatsächlich sahen sich auch die Westdeutschen im Chaos der Nachkriegszeit vom Strom der Vertriebenen aus dem Osten regelrecht überrollt.
Dabei ging es den Flüchtlingen zweifellos noch elender als ihnen selbst, hofften jetzt auf Solidarität oder nur auf Mitgefühl.
Doch sie erfuhren etwas ganz anderes: Ablehnung und Ausgrenzung als „unerwünschte Fremde“. Gerade auf dem Land, wo mehr als siebzig Prozent von ihnen untergebracht wurden.
Auf Anordnung der Siegermächte erhielten sie sogar „Zuzugssperre“ in die Städte. (Kossert, S. 53).
Auch dieser Fakt wird hierzulande oft und gerne verschwiegen!
Deutschland verfiel in zwei Schicksalsgemeinschaften, wie der Migrationsforscher Kaus J. Bade beschrieb:
In die Einheimischen und in die Vertriebenen, die zueinander in einer „Opferkonkurrenz“ standen. „Dieser Konkurrenzkampf trug ‚deutliche Züge eines Nationalitätenkampfes und eines Klassengegensatzes.‘“
(Quelle: Klaus J. Bade: „Homo migrans – Wanderungen aus und nach Deutschland – Erfahrungen und Fragen“, Essen 1994, S. 45).
Dabei wurden die Vertriebenen als „Polacken“ oder „dahergelaufenes Gesindel“ (und Schlimmeres, wie noch aufzuzeigen sein wird) beschimpft.
„Die erlittenen Traumata während der Vertreibung, ‚soziale Isolation und Deklassierung sowie das nachfolgende Ringen um eine Identität zwischen Hier und Dort‘ machte das Heimischwerden in der fremden Umgebung oft geradezu unmöglich. Es ist an der Zeit, deutsche Vertriebene endlich als Opfer zu begreifen, die nicht nur unter Flucht und Vertreibung gelitten haben, sondern auch unter der Hartherzigkeit ihrer eigenen Landsleute“, meint der deutsche Historiker Andreas Kossert.
„Dass die Aufnahme der 14 Millionen ‚nicht zur politischen Dauermalaise wurde, die Radikalisierung ausblieb‘ dafür zahlten die Vertriebenen mit Verleugnung ihres Schmerzes und kultureller Selbstaufgabe, Schlesier, Ostpreußen, Pommern, Deutschböhmen und Banater Schwaben, die über Jahrhunderte beigetragen haben zur Vielfalt der deutschen Identität, hatten fern der Heimat nichts mehr zu melden.
Sie mussten sich anpassen im Westen ihres Vaterlandes, das ihnen zur kalten Heimat werden sollte.“
(Quelle: Andreas Kossert: „Kalte Heimat – Die Geschichte der deutschen Vertriebenen nach 1945“, München 2009, S. 12-16)
Oft kamen die Vertriebenen in Viehwaggons im Westen an, wurden an den Zielorten wie auf Sklaven- oder Viehmärkten verteilt.
Die Alliierten hatten sich auf bestimmte Kontingente geeinigt und brachten sie dort unter, wo noch Kapazitäten vorhanden waren. Aber erst nach bürokratischen Prozeduren, Registrierungen, medizinischen Untersuchungen, Impfungen und Entlausungen.
Die örtlichen deutschen und kirchlichen Fürsorgestellen kümmerten sich danach um die weitere Verteilung und Unterbringungen.
Allerdings gab es für die Westdeutschen keine Möglichkeit, die „Annahme“ zu „verweigern“.
Dabei schlug den Vertriebenen, die alles verloren hatten und denen fast alles fehlte, von den Einheimischen Verachtung und Abwehr entgegen …
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Das kann ich nur bestätigen. Als Kind der 1950er Jahre weiss ich noch wie man die Flüchtlinge im Dorf beschimpft hat. Keiner wollte was mit ihnen zu tun haben. Sie wurden gemieden. Es war beschämend. Dann kam noch der Neid dazu weil sie Darlehen erhielten und Häuser bauen konnten.