„Häusliche Gewalt ist nicht privat. Sie ist ein Verbrechen.“
Patricia Ireland
(Ehemalige Präsidentin der National Organization for Women)
Auf meinen zahlreichen (überwiegend) Drehreisen nach Osteuropa – ob nach Lettland, Litauen, Tschechien, Ungarn, Mazedonien, in die Ukraine, nach Polen oder Rumänien – begegneten mir immer wieder Männer, die über Partnervermittlungen nach einer Frau suchten.
Sicher, daran ist zunächst nichts Verwerfliches. Doch im Zuge meiner Recherchen lernte ich auch eine osteuropäische Partnervermittlerin kennen – und was sie mir erzählte, erschütterte mich. Mit fassungslosem Blick berichtete sie von Fällen, in denen Männer – auch aus Deutschland – Frauen suchten, obwohl sie bereits in früheren Beziehungen gewalttätig geworden waren.
Manche hätten ihre Partnerinnen geschlagen und trotzdem die Dreistigkeit besessen, über eine Agentur nach der „Traumfrau“ zu suchen.
Ein perfides Spiel mit Hoffnung, Vertrauen und der Sehnsucht nach Liebe.
Es ist der zündende Moment für eine neue Undercover-Recherche.
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Ich will herausfinden: Gibt es tatsächlich Partnervermittlungen, die selbst dann noch Frauen vermitteln, wenn ein Mann offen zugibt, gewalttätig zu sein? Wenn er – wie in meinem Fall gespielt – behauptet, Frauen zu schlagen, wenn sie nicht „spuren“?
Normalerweise sollte so jemand natürlich erst gar keine Kontaktdaten von heiratswilligen Frauen bekommen.
Aber das Gegenteil sollte der Fall sein.
Und so beginnt meine Odyssee – ein investigatives Experiment, das sich bald als Abstieg in menschliche Abgründe entpuppen wird.
Zwischen 2001 und 2007 reise ich durch Osteuropa, getarnt als „Schläger“.
Ich oute mich bewusst gegenüber den Vermittlungen – aggressiv, dominant, ohne Scheu.
Doch statt Ablehnung ernte ich Angebote: Jede Menge Frauen. Sogar alleinerziehende Mütter mit Kindern! Ich bin fassungslos.
In ihren Heimatländern treffe ich die vermittelten Frauen – doch keine von ihnen wurde vorgewarnt. Niemand hat sie über mein angeblich gewalttätiges Verhalten informiert.
Also beginne ich systematisch, diese Vermittlungsagenturen zu testen.
Was ich erlebe, ist ein Abstieg in ein dunkles System aus Geldgier, Illusionen, Sex und Schweigen.
Und meine schlimmsten Erwartungen? Sie werden nicht nur bestätigt, sondern weit übertroffen.
Meine erste Recherche führt mich in eine schwäbische Kleinstadt – zu einer auffällig selbstbewussten, übergewichtigen Partnervermittlerin.
„Sie glauben gar nicht, was für ein Pöbel sich bei den üblichen Agenturen so tummelt“, sagt sie mit fester Stimme und blickt mich mit stechend jadegrünen Augen an. „Mauerblümchen, Übergewichtige, Unattraktive – Eckensteherinnen der Gesellschaft! Die meisten von ihnen sind wirklich nicht vermittelbar.“
Sie macht eine kurze Pause, ihre Miene bleibt ernst. Dann schiebt sie nach, als wolle sie sich deutlich abgrenzen: „Aber nein, solche Typen gibt es bei uns nicht! Wir vermitteln nur schlanke und hübsche Frauen – Frauen, nach denen sich Männer mit Ansprüchen sehnen!“
Elke S. (Name aus Persönlichkeitsrechtlichen Gründen geändert) die Partnervermittlerin, die kein Blatt vor den Mund nimmt und damit die Kundschaft anderer Agenturen verunglimpft, zwinkert mir aufmunternd zu.
Ich sitze ihr in ihrem engen Büro gegenüber, die Wände voll mit Hochglanzfotos. Ihre überraschenden Worte sind direkt – und erstaunlich plump.
„Und was kostet so eine Vermittlung?“, frage ich, bewusst beiläufig, aber gespannt auf die Antwort.
Die Agenturleiterin schlägt ihre kräftigen Beine übereinander, fährt sich mit schwarz lackierten Fingern durchs halblange Haar und lächelt geschäftstüchtig. „Viertausend Euro. Alles inklusive. Das heißt: Wir vermitteln so lange, bis Sie Ihre Traumfrau gefunden haben.“
Ganz schön happig, denke ich – sage aber nichts. Ich muss in meiner Rolle bleiben.
„Ich suche eine Frau, die nicht nur attraktiv ist“, beginne ich langsam, „sondern auch weiß, wo ihr Platz in einer Partnerschaft ist.“
Ich taste mich vorsichtig an das heran, was im Kern meiner Recherche liegt.
Elke S. runzelt die Stirn, dann blitzt es in ihren Augen. „Meinen Sie etwa – am Herd und im Bett?“ Sie gluckst los, ein Lachen wie aus dem Hühnerstall.
„Naja, jedenfalls sollte es keine besserwisserische oder prüde Emanze sein.“
„Die ganzen emanzipierten Frauen“, fährt die Partnervermittlerin mit einem leichten Achselzucken fort, „werden doch immer mehr wie Männer. Das sagen unsere Kunden ständig. Aber keine Sorge: So eine finden Sie bei uns garantiert nicht.“
Ich nicke scheinbar zustimmend. „Und wie groß ist Ihr Angebot?“
„Wir haben etwa zweitausend heiratswillige Damen in unserer Kartei. Da wird schon die Richtige für Sie dabei sein.“
Es ist der Moment, in dem ich zum eigentlichen Kern meiner Recherche vordringen muss. „Wenn Sie schon so offen sind – dann bin ich es auch“, beginne ich zögerlich. „Ich habe nämlich … ein kleines Problem.“
Elke S. sieht mich mit einem Blick an, der Vertrauen einflößen soll – fast wie eine moderne Mutter Teresa, bei der man alles beichten kann. „Nur raus damit!“, sagt sie freundlich und ermutigend.
Ich weiß: Die versteckte Kamera, deren Linse unauffällig im meinem zweiten Hemdknopf eingebaut ist, läuft. Alles wird aufgezeichnet – späteres Material für meinen Film und ein Buch. Selbstverständlich anonymisiert.
Ich spiele den Verunsicherten. Schauspielerei mit Ziel. Ich knete die Hände, senke den Blick, tue so, als schäme ich mich für das, was ich gleich sagen werde. „Ich weiß nicht recht, wie ich das ausdrücken soll …“ Ich mache bewusst eine Pause, als müsse ich mich überwinden. „Nun ja … also manchmal rutscht mir einfach die Hand aus, wenn meine Partnerin nicht richtig spurt …“
Nach meiner fingierten Schockbeichte hebe ich den Blick und sehe der Agenturleiterin direkt ins Gesicht. Jetzt wird sie mich rausschmeißen. Muss sie. Alles andere wäre unvorstellbar.
Doch was dann passiert, verschlägt mir fast die Sprache.
Elke S. lächelt.
Lächelt.
„Ach Gott“, sagt sie und winkt ab, „wenn das alles ist, dann sollten wir Ihnen eben kein Sensibelchen geben. Nicht, dass die gleich beim ersten Ausrutscher zusammenbricht, nicht wahr?“
Ich sitze da – fassungslos. Ich glaube, meinen Ohren nicht zu trauen.
„Wirklich?“, frage ich scheinbar erleichtert.
„Na sicher!“ Elke S. lehnt sich vor. Manche Frauen brauchen einen Mann, der ein bisschen Macho ist. Die wollen keine Weicheier, sondern richtige Kerle. Und genau eine solche Partnerin werden wir Ihnen suchen. Sie wissen doch, wir sind eine moderne Agentur für aufgeschlossene Menschen mit Anspruch.“
Ich nicke. „Das hört sich gut an.“ Die Worte liegen mir aus Ekel wie Blei auf der Zunge.
Elke S. lächelt gewinnend, dreht den Bildschirm ihres Laptops zu mir. Bereits während des Gesprächs hat sie eine Fotodatei geöffnet – nun scrollt sie durch die Galerie heiratswilliger Frauen.
Ein Gesicht nach dem anderen, das sie mir schmackhaft machen will. Ein Katalog menschlicher Sehnsüchte …
Es gibt nicht schlimmeres und dooferes als Weiber auf Partnersuche die alles mit sich machen lassen.
Oder die im Urlaub sich von einem ausnehmen lassen. Herr lass Hirn regnen.